Schon beim ersten Satz von „Rote Ernte“ merkt der Leser die sanfte Ironie des Autors, wenn er mit brutalen Ausdrücken geradezu gesichtsausfüllendes süffisantes Grinsen verbreitet. Der Ort der Handlung „Peaceville“ (Friedensstadt) wird kurzerhand in „Pissville“ umbenannt und bekommt diesen Hauch von Kleinstadtmief auch die weitere Handlung nicht los. Der Sohn des einflussreichsten Mannes der Stadt wird „umgelegt“ und sein Vater, der Boss, dem beinahe die ganze Stadt gehört, sucht Aufklärung, doch die Hunde die er einst rief, um die Gewerkschaft der Bergarbeiter zu zerschlagen, wird er nicht so ohne weiteres wieder los. Das Nest gehört wieder einmal so richtig ausgemistet und es ist eine Freude, wie Hammett einen Schlamassel aus Verbrechen und politischer Korruption aufdeckt, der noch seiner Beschreibung spottet. Auch harte Frauen mischen dabei kräftig mit, denn der Autor legt seinen Protagonisten nicht gerade zimperliche Worte in den Mund, wenn es um die Charakterisierung einiger Exemplare des schwachen Geschlechts geht: „Wer ist diese Dinah Brand eigentlich?“, frägt der eine, worauf man ihm antwortet: „`n Täubchen im Dreck, wie der Dichter sagt, `ne Edelnutte, `ne Kokotte mit drei Sternchen“. Bei einer neuen Verhörmethode mit einer Flasche Gin bekommt der Protagonist auch noch andere Geheimnisse von einer Frau über sich und andere Frauen zu hören: „Wenn `n Mädchen was hat, das seinen Lohn wert ist, dann ist sie `n Schaf, wenn sich nicht kassiert. (…) Was zum Teufel soll also die Knauserei?“. Ob denn nun alle Frauen käuflich sind und es ganz einfach nur an ihrem Preis liegt, bis sie endlich reden oder: kooperieren, wird natürlich erst im letzten Kapitel geklärt sein. Wichtig ist nur, dass der Pegel stimmt: „Wenn in dieser Nacht noch mehr Arbeit auf mich wartete, wollte ich sie wenigstens nicht in Angriff nehmen, während der Alkoholpegel absackte. Das Schlückchen möbelte mich prächtig auf.“ Wie schön, wenn man – wie in diesem Fall - jemanden zum Trinken gefunden hat, der nicht demselben Geschlecht angehört und einen auch noch mit wichtigen Informationen versorgt!
Die Pinkerton Detective Agency gab es wirklich und der Mann, der ihr ein literarisches Denkmal setzte und dafür sorgte, dass der Begriff geradezu zum Inbegriff (zur Metoynmie und Paraphrase) für Detektei wurde, war am Beginn seiner Karriere selbst einer von ihnen: „Wir schlafen nie“, war das Pinkerton Motto und was für die einen nur ein Slogan war, setzte dann der Detektiv Hammett als Schriftsteller in die Realität um. Auch wenn er seine Literatur anfangs selbst als „pulp“ (Schund) bezeichnete, schaffte er es mit sehr viel Fleiß (wenn er schrieb, verließ er nicht mal sein Haus) dann doch noch zu hohem Ansehen als Schriftsteller. Dashiell Hammett machte aus der Gattung Groschenroman eine eigene Sparte der Literatur, den Kriminalroman, und es ist sicherlich Schreibern wie ihm zu verdanken, dass das Genre Krimi nicht mehr so schief angesehen wird und die hohen Weihen der Literatur erhalten hat.
„Rote Ernte“ stand am Anfang einer Serie, die mit dem „Malteser Falken“ sicherlich ihren Höhepunkt erlebt hatte, nicht zuletzt wegen seiner Verfilmung durch John Huston mit Humphrey Bogart in der Hauptrolle. Dieser Film wiederum trug zur Genese eines eigenen Filmgenres bei: der Film noir war geboren, knallharte Kerle, wunderschöne Frauen, beide mit kessen Sprüchen auf den Lippen. Dashiell Hammett war aber mehr als nur ein bescheidener Schriftsteller, der die große Stunde für den Kriminalroman in Kollegen wie Raymond Chandler oder Georges Simenon kommen sah. Dashiell Hammett war vor allem auch ein sehr großzügiger Mensch, der das Geld, das er in seinen Augen so leicht verdiente, auch an die verteilte, die es am meisten brauchten. Obwohl er schon 1931 an Tuberkulose erkrankt war, wollte er im Zweiten Weltkrieg gegen den Faschismus kämpfen und meldete sich 1940 als Freiwilliger, bald jedoch landete er vor dem HOUSE Komitee für unamerikanische Aktivitäten, was ihm sechs Monate Gefängnis und letztlich auch den Tod einbrachte. Vor Joseph McCarthys Inquisition soll Hammett widerspenstig geantwortet haben, dass er selbst wisse, was er für Demokratie zu halten habe. Besonders spitzfindig war aber auch seine Antwort auf die Frage des Komitees, was er denn mit Geld zur Kommunismusbekämpfung anfangen würde: „Falls ich den Kommunismus bekämpfen würde, würde ich den Leuten überhaupt keine Bücher geben.“
Die Romane von Dashiell Hammett sind entweder als Taschenbuch oder Pappband (etwas stärkerer Kartonumschlag) beim Schweizer Diogenes Verlag erschienen und auch als Hörbuch (etwa von Wiglaf Droste gelesen) erhältlich, darunter natürlich auch der „Malteser Falke“. 1961, vor genau 50 Jahren, starb Dashiell Hammett selbst verarmt und resigniert in New York an Lungenkrebs. Der Gefängnisaufenthalt hatte den ohnehin schon kranken Mann letztlich getötet und wohl auch seine Sympathie für die Underdogs, die Kommunisten und Gewerkschafter in einem Amerika des Kalten Krieges.
Dashiell Hammett „Rote Ernte“, 256 Seiten im Pappband, diogenes 2011
[*] Diese Rezension schrieb: Jürgen Weber (2011-02-15)
Hinweis: Diese Rezension spiegelt die Meinung ihres Verfassers wider und muss nicht zwingend mit der Meinung von versalia.de übereinstimmen.