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Brigitte Hamann - Kronprinz Rudolf. Ein Leben
Buchinformation
Hamann, Brigitte - Kronprinz Rudolf. Ein Leben bestellen
Hamann, Brigitte:
Kronprinz Rudolf. Ein
Leben

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(Bücher frei Haus)

Die 1978 als Dissertation erschienene Rudolf-Biographie von Brigitte Hamann erschien nach dreieinhalb Jahrzehnten weiterer Forschungsarbeit beim Piper-Verlag in einer überarbeiteten und erweiterten Neuauflage. Als „Schwächling, Spinner, krankhafter Melancholiker, umnachteter Morphinist, Exzentriker, Frauenheld und Desperado“ wurde Rudolf gerne gezeichnet und abgeurteilt, aber hinter dem Mythos steht auch ein Mensch, den die deutsche Historikern versucht auf 544 Seiten wieder lebendig werden zu lassen. Der in den Liebestod von Mayerling Geflüchtete wird spätestens 2015 ohnehin eine Wiederauferstehung erleben, da das Liebesschloss in der Nähe Wiens bis dahin renoviert sein wird, rechtzeitig vor seinem 160. Geburtstag (*1858) wird das jedenfalls wohl noch zu schaffen sein. Auf der Homepage gibt es dazu auch Spendenaufrufe, das angeschlossene Kloster zu unterstützen.
Weibliche Leiche im Schrank
Rudolf sei ein Denker, Rebell und Visionär gewesen, der sogar geradezu „reformbesessen“ gewesen sein soll. Es ist also durchaus denkbar, dass die Monarchie mit ihm als Kaiser ganz anders ausgesehen hätte. Aber Spekulation ist bekanntlich die Sache nicht, von Historikern. Nachdem Brigitte Hamann seine Schriften und sein liberales und anti-klerikales Umfeld durchleuchtet hatte, publizierte sie schließlich – nach fünfjähriger Quellenforschung - ihre Dissertation, deren Forschungsergebnisse für einiges Aufmucken sorgte. Die 17-jährige Komtesse Mary Vetsera, die Rudolf vor seinem Selbstmord meuchelte, sei keineswegs seine „große Liebe“ gewesen, wie der Mythos gerne verbreitete. Hamann erteilt der romantischen „Romeo und Julia auf dem Lande“-Variante eine Abfuhr und bezeichet die Vetsera als „eines der zahlreichen Groupies, die alles getan hätten, um auch nur in seiner Nähe zu sein“. Die nackte Leiche des Mädchens sei sogar zwei Tage in einer Kammer in Mayerling versteckt worden, „ehe die Verwandten der Komtesse die – für die Monarchie – so diffamierende Kurzzeit-Mätresse des Prinzen bei Nacht und Nebel abtransportierten“, so die Hamann in einem Interview mit einem österreichischen Nachrichtenmagazin. Die Monarchie konnte die „weibliche Leiche“ sogar bis 1918 geheim halten.

Das „Krepierl“ unter militärischer Zucht
Die Abschiedsworte des Selbstmörders an seine Frau geben ein selbstsicheres Bild des Thronprätendenten: „Liebe Stephanie! Du bist von meiner Gegenwart und Plage befreit; werde glücklich auf Deine Art. Sei gut für die arme Kleine, die das Einzige ist, was von mir übrig bleibt. Ich gehe ruhig in den Tod, der allein meinen guten Namen retten kann. Dich herzlichst umarmend, Dein Dich liebender Rudolf.“ Das „Krepierl“, wie Rudolf mehr oder weniger liebevoll aufgrund seiner schwächlichen Konstitution nach seiner Geburt gerne genannt wurde, sollte die Probleme des damals schon sehr belasteten Kaiserhauses (Solferino!) lösen. Auf ihm lastete die ganze Hoffnung der Familie und deswegen sollte er von Generalmajor Leopold Graf Gondrecourt zu einem strammen Soldaten erzogen werden. Rudolf wurde als Teil dieser Erziehung mit Kaltwasserkuren gequält, nachts mit Pistolenschüssen aufgeschreckt oder man sperrte ihn im Lainzer Tiergarten ein. Eine weitere Maxime der Erziehungsmaßnahmen besagte: „die geistige Entwicklung muss verständig gedämoft werden, damit jene des Körpers gleichen Schritt haltet“ (sic!).
Die Große Liebe
Im Sommer 1888 wollte Kronprinz Rudolf Mizzi Caspar, seine eigentliche große Liebe, überreden, sich mit ihm zu erschießen. Diese weigerte sich aber und gab die Suizid-Absichten ihres heimlichen Geliebten dem Polizeipräsidenten weiter, sie gelangte aber wohl nicht zum erzkonservativen Innenminister und Ministerpräsident Graf Eduard Taaffe oder vielleicht auch doch. Denn auch Taafe sah in Rudolf nur einen unbeliebten Konkurrenten. Die Geschichte der Habsburger hatte mit einem Rudolf begonnen und endete auch mit einem Rudolf. Die reich bebilderte Ausgabe des Piper Verlages gibt einen historischen Einblick über das Leben und die letzten Tage des Mannes, der die Monarchie vielleicht hätte retten können, wenn er sich nicht selbst gerichtet hätte. „Richtet nicht, um nicht gerichtet zu werden“, lautete eine Schlagzeile einer nach dem Tod Rudolfs erschienen Zeitung. Das ganze Geheimnis um Rudolfs Selbstmord wird wohl niemals ganz gelüftet werden können, aber die vorliegende Biographie Brigitte Hamanns tut ihr bestes, den Mythos durch Fakten zu ersetzen.

Brigitte Hamann
Kronprinz Rudolf
EIN LEBEN
Aktualisierte Neuausgabe. Mit zahlreichen Abbildungen
Erschienen am 01.12.2006
544 Seiten, Kartoniert
ISBN: 978-3-492-24572-2
€ 14,99 [D], € 15,50 [A], sFr 21,90

[*] Diese Rezension schrieb: Jürgen Weber (2014-05-08)

Hinweis: Diese Rezension spiegelt die Meinung ihres Verfassers wider und muss nicht zwingend mit der Meinung von versalia.de übereinstimmen.


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