Mit einer als Buch verfassten ehrlichen und authentischen Selbstbefragung stellt sich der einer ganz breiten politischen Öffentlichkeit noch nicht sehr bekannte Schriftsteller und Grünen -Politiker Robert Habeck nicht nur seiner innerparteilichen Öffentlichkeit im Rahmen der noch andauernden Urwahl für die Bundestagewahl 2017 vor, sondern versucht sich als neue Stimme bei den Grünen auch einem breiten Publikum bekannt zu machen.
Robert Habeck hat einen ungewöhnlichen Lebenslauf und muss, obwohl er in Schleswig-Holstein stellvertretender Ministerpräsident ist, bei der Urwahl für den männlichen Part der Spitzenkandidatur für die Bundestagswahl 2017 wohl als Außenseiter gelten. Zu medial präsent sind seine Mitbewerber Cem Özdemir und Anton Hofreiter, als dass er da mithalten könnte.
Sehr wohl mithalten und noch viel mehr, kann er mit inhaltlichen und programmatischen Vorstellungen, mit einer neuen Idee von Politik, die er sehr überzeugend in seinem persönlichen Buch vorstellt.
Er beschreibt, was ihn seit seiner Jugend politisch antreibt, wie er mit seiner Frau und dem gemeinsamem vier Söhnen versucht, Familie und Politik fair zusammen zu bringen, er redet freimütig über die Veränderung seines Leben in den politischen Ämtern, die er seit einigen Jahren innehat. Und er plädiert immer wieder, gerade in Zeiten schneller politischer Entscheidung so etwas wie eine Kultur des Zweifels zuzulassen.
Konflikte und Kompromisse um sie zu lösen, hält er für ein grundlegendes Fundament und den Sinn von Demokratie. Durch das ganze Buch weht so etwas wie ein frischer Wind von der Nord- und Ostsee, wo Habeck lebt.
Unabhängig davon, wie in einem Jahr (oder vielleicht gar schon früher?) die Regierungsbildung nach der Bundestagswahl aussehen wird, ich könnte mir vorstellen, dass ein Mann wie Robert Habeck mit seiner Idee von Politik da ein wichtiges Wort mitzureden hätte.
Wenn er denn aus der Urwahl als Sieger hervorgeht. Die Grünenbasis war schon für viele Überraschungen gut. Wir werden sehen.
Das Buch jedenfalls ist und bleibt ein persönliches Dokument, das einen überzeugenden Weg weist „in eine Politik, wie sie sein sollte“ (Juli Zeh).
Mittlerweile in der vierten Auflage (!) hat Robert Habeck, dessen Wagnis Ende Januar 2018 auf dem Bundesparteitag der Grünen aufgegangen ist und der zusammen mit Anita Baerbrock zum neuen Vorsitzenden der Grünen gewählt wurde, dem Buch ein etwa 30-seitiges Nachwort hinzugefügt, dessen Inhalt aufmerksame Politikbeobachter und Nachrichtenleser im Wesentlichen kennen. Es blickt zurück auf die Jamaika Verhandlungen und ist eine profunde Zusammenfassung der Strategie, mit der er zusammen mit seiner Co-Vorsitzenden die Grünen ausstatten will.
Jetzt braucht es für Habeck und die Grünen eigentlich nur noch Neuwahlen, denn vier Jahre als kleinste Fraktion in der Opposition werden ihm definitiv weniger Gelegenheit geben, seine Agenda umzusetzen.
Robert Habeck, Wer wagt, beginnt. Die Politik und ich, Kiepenheuer & Witsch 2018, ISBN 978-3-462-04949-7
[*] Diese Rezension schrieb: Winfried Stanzick (2018-01-29)
Hinweis: Diese Rezension spiegelt die Meinung ihres Verfassers wider und muss nicht zwingend mit der Meinung von versalia.de übereinstimmen.