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Wolf Haas - Komm, süßer Tod
Buchinformation
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Haas, Wolf:
Komm, süßer Tod

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(Bücher frei Haus)

Im dritten Krimi der Simon-Brenner-Serie hat der ehemalige Polizist und Detektiv die Verbrechensaufklärung zugunsten eines ordentlichen Schichtberufes samt Dienstwohnung (vorerst) aufgegeben. Er fährt einen Krankenwagen für die Sanitäter von der „Kreuzrettung“ der Stadt Wien. Die sind spinnefeind mit ihren Konkurrenten vom „Rettungsbund“. (Assoziationen zu diesen beiden Namen sind zulässig.) Funkgespräche werden abgehört, Fahrten zum Allgemeinen Krankenhaus sich gegenseitig vor der Nase weggeschnappt.

Manchmal hat man, während man die roten Ampeln überfuhr - was auch den Sanitätern gar nicht gestattet ist - dem Geplapper alter Damen, die man zur Dialyse gebracht hat, - jeder Kranke hat eine Erkenntnis, die er der Welt mitteilen muss - nicht genügend Achtung geschenkt, obwohl die vielleicht auf einem Vermögen hockte und keine eigenen Enkel hatte. Brenner ist weder der Aufmerksamste noch der am schnellsten Kombinierende je gewesen. Dafür ist er aber zum Beispiel derjenige, der sich etliche Stunden nach solchem Omagebrabbel, auf das er nicht mal geachtet hat, einen einzelnen Satz im Geist noch einmal abspielen kann.

Es lässt sich auf die Dauer, wenn man mehrere liest, nicht verkennen: Als Kriminalromane sind die Brenner-Bücher eher schwach. Der Leser bekommt in den oft überfüllten Plots nie eine einzige Chance, selber die Lösung vor dem Brenner zu erraten, obwohl Brenner so intelligent doch nicht vorgeht. Er „ermittelt“ ja nie, sondern, was der Brenner tut, ist: aufdringlich und unverdrossen naiv über die Schauplätze des Verbrechens stolpern. Wolf Hass hat beim dritten Fall immerhin genug Zurückhaltung aufgebracht, nicht vier, fünf oder gar noch mehr kabarettreife Konflikte zu einem einzigen Übersattmacher-Sandwich aufzutürmen. Es ist dieses Mal fast so was wie (nur ) eine Geschichte geworden.

Anlass zu Brenners Reaktivierung als Detektiv liefert ein Doppelmord am Leiter der Wiener Blutbank und an dessen Freundin. Das Opfer ist der Bruder vom Leiter des „Rettungsbunds“ gewesen, von daher an diesen Posten gekommen, dann übergelaufen zu den Anhängern der „Kreuzrettung“. So steht der Gedanke an eine Racheaktion im Raum. Wie soll man gleich drauf kommen, dass die Freundin das wahre Ziel dieser Tat gewesen ist und man verhindern wollte, dass sie ihr Wissen über ein kriminelles Netzwerk verraten kann?

Die durch alle Brenner-Bücher laufenden Manierismen sind wieder schnell beieinander und amüsieren, je nach Anhängerschaft, bzw. nerven den Leser. Schon wieder hat mehr oder weniger der Mörder selbst Brenner nach sich suchen lassen. Schon wieder zeichnet sich für den Brenner eine Frauengeschichte ab, die dann nicht zustande kommt. Selbstverständlich auch kein Brenner-Abenteuer ohne lebensgefährliches Amputationsereignis, nach welchem ihm zumindest mehrere Knochen im Leib gebrochen sind, wenn nicht gleich ein Stück Ohr, Finger oder dergleichen verloren geht.

Für „Komm, süßer Tod“ sind von entscheidender Bedeutung die Frauenfiguren. Dabei kommt einem aber vor, als wären sie alle dieselbe eine Frau: Irmi, die ermordete Krankenschwester. Angelika, die Tochter eines Rettungsfahrers, der sich zum Attentat bekennt, spürbar gekauft und unwahr. Klara, Brenners Freundin aus der Schulzeit in Puntigam (bei Graz), mit Anfang fünfzig nun krebskrank. Nicole, Sekretärin des Kreuzbund-Direktors, Brenner zieht, weil er sie auszuhorchen versucht, sich eine Abreibung seitens angetrunkener Kreuzbund-Rettungsfahrer zu. Rosi, Schnellimbissbesitzerin, von deren Stand aus man den Mörder möglicherweise sehen konnte. Brenner ist so ein Gebeutelter, da helfen ihm die Damen gern ein bissel, aber Haas ist so ein Charakterzeichner, da wissen wir manchmal leider nicht, welche denn grad welche ist.

Und doch bildet „Komm, süßer Tod“ vielleicht den Höhepunkt der ganzen Reihe. Eben wegen der Zurückhaltung, was kabarettistische Nummern anlangt. Dann aber vor allem, weil das unverwechselbare Charakteristikum jedes Simon-Brenner-Abenteuers hier auf Meisterwerk-Niveau kommt: jener skurrile Ton, in dem die Bücher erzählt werden. Die auf manche Art wichtigste Figur der Haas-Krimis ist ja nicht Simon Brenner, auch nicht Haas, der Verfasser, sondern jener Unbekannte, nie namentlich Genannte, ein verschroben, schwarzhumoriger, zum Faseln neigender Alter aus Brenners persönlichem Umkreis, der uns alle Bücher in persönlicher Du-Ansprache und mit den Späßchen eines von sich selbst eingenommenen Wiener Spießers vorführt. Weitgehend die korrekte Dudenformen des Deutschen beibehaltend gelingt Wolf Haas ein Österreich-durch-und-durch-Deutsch, das so scharf und authentisch herüberkommt, dass wir die unglaublichsten Abläufe für wahrer halten, als sie auf der Ebene des Amüsements, dem alle Brenner-Geschichten verpflichtet bleiben, je sein dürfen.

(Ein Running-Gag der Österreichkrimiserie ist, dass in jedem Buch dem Brenner ein anderes Lied nicht mehr aus dem Kopf gehen will. Ein versteckter Hinweis. „Komm, süßer Tod“, wie Brenner meint, heißt der Gesang von Johann Sebastian Bach aber nicht wirklich, sondern: „Komm, süßes Kreuz“. Und warum das Kreuz ihm hätte helfen können? Na ja. Alles soll man vorher nicht wissen, wenn man einen Krimi zu lesen beginnt.)

Zitat:

Der Tod ist vielleicht groß. Aber Wien ist auch groß. Wenn du mit der Fünfer vom Westbahnhof zum Nordbahnhof fährst, bist du fast eine Stunde unterwegs. Und da bist du noch lange nicht draußen in der Bronx. Noch lange nicht in der Großfeld- oder in der Trabrennsiedlung oder am Schöpfwerk draußen, wo sie immer die Vergewaltiger haben und die Jugendbanden und die Zeitungsleute.
Und da liest man dann in der Zeitung, wie gefährlich es am Schöpfwerk ist, weil das Crack, oder wie der Dreck heißt, die Leute so aggressiv macht, daß sie dir den Kopf abschneiden. Aber niemand schreibt über die tiefere Ursache. Niemand schreibt über die Burenwurst.


[*] Diese Rezension schrieb: KlausMattes (2015-05-17)

Hinweis: Diese Rezension spiegelt die Meinung ihres Verfassers wider und muss nicht zwingend mit der Meinung von versalia.de übereinstimmen.


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