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Wolf Haas - Der Knochenmann
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Haas, Wolf:
Der Knochenmann

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(Bücher frei Haus)

Im zweiten Band der Serie um den österreichischen Detektiv Brenner wird dieser von der Schwiegertochter eines Hendlwirtschaft-Magnaten herbeigerufen. Unter den Knochenabfällen der gigantesken Billigfresserhalle im Steiermärker Weinland sind Menschenknochen aufgetaucht. Die Polizei tappt im Dunkeln. Nirgends ist einer abgängig.

Das bleibt nicht mehr lange so. Ex-Polizist Simon Brenner scheint Mordtaten magisch anzuziehen. Seine Auftraggeberin bekommt er gar nicht mehr lebendig zu sehen. Die ist bereits verschwunden, während er noch im Schnellzug Wien-Graz gesessen hat. Da springt nun der Filius vom alten König aus dem Reiche der Hendl-, Stelzen- und Klodeckelschnitzelfresserei ein: „Finden Sie meine Frau, ich zahle Ihnen jeden Preis.“ Dabei weiß jeder, dass es zwischen ihm und dieser Frau ebenso wenig zum Besten gestanden hat wie zwischen ihm und seinem Firmengründer-Papa. Der Junior, sowieso nur adoptiert, ist nämlich impotent und lebensstilmäßig ein feiger Aufschneider mit Porsche. „Sprich: Fahrten zur Recherche nach Wien halb so lang jetzt. Wenn du heute ein schnelles Auto hast, bist du gleich im Vorteil.“ (So etwa klingt es in der österreichischen Suada des in jedem Haas-Krimi sich drollig umtuenden, aber anonym bleibenden Brenner-Geschichten-Erzählers.)

Die Grenze zu Slowenien ist gleich nebendran und das will schon auch was besagen. Der Haas, der liebt es ja, eine gewisse Anzahl verschiedener, zwar nicht besonders wahrscheinlicher, aber kabarettistisch ziemlich ergiebiger Geschichten parallel zu verfolgen und so zu verknäueln, dass du gar nicht mehr merkst, wo die Fallgeschichte da überhaupt ist. Daher kommt viel vor vom Krieg in Jugoslawien: Waffen wurden damals nach Bosnien verschoben, Söldner angeworben, Huren kommen vom Balkan herauf, ehemalige serbische Spitzenfußballer stehen mit einem Mal der steirischen Dorfliga zur Verfügung.

Jetzt ob es damit gut ist? Frage nicht! (Zur Erklärung: Wir imitieren weiter ein wenig den Erzählton des Buches.) Da gibt’s nämlich auch noch einen Künstler, der macht in blutigen Happenings. Der wird von seinem Galeristen in Graz der staunenden Kunstwelt als vermisst und verstorben verkauft, damit ihm diese dessen Werk aus den Händen reißt. Unterdessen riskiert der Künstler jedoch, ein großer Hausmacher-Blutwurstliebhaber, in seinem Versteck demnächst tot auf der Schlachtbank zu liegen. Außerdem hat er eine Freundin, die ist eine Transsexuelle und die rettet dem Brenner dann das Leben. Denn wie immer, merkt es der Brenner ja doch erst, was los ist, wenn der Mörder im Keller über ihm sein Beil schwingt.

Was hat der Sohn vom alten Hendlkönig, der Porsche-Pauli nur ständig irgendwohin abzuhauen? Was hat er mit dem Ebenfalls-Jugoslawen zu mauscheln, der in der Hendlstation die Knochen vermahlt und den Fußballern die Drogentütchen zusteckt?

Schon ein wenig der Plot-Overkill beim Brenner, nicht wahr. Und man sollte auch auf dieses österreichische Herumflirten mit der eigenen Abgründigkeit und Grausamkeit abfahren, sonst kriegt man vielleicht nicht mal mit, dass es ganz unenst gemeint ist, auch wenn es gruselig wird.

Wie natürlich jeden Krimi aus der Brenner-Serie zeichent auch diesen vor der Masse der zuverlässig, neutral oder leserfreundlich erzählten Mitbewerber aus: seine „gewöhnungsbedürftige“ Erzähltonlage. Bekanntlich drückt sich der Charakter einer Person in der Art ihres Sprechens aus. Brenner-Krimis tun halt immer so, als wären sie nicht vom Haas und vom Brenner auch nicht, auch nicht von einem Fernsehsprecher oder so, sondern von einem alten Lackel, der sich dran freut, was er alles kennt, was er einem jetzt mit viel Girlanden und Jokes ums Nebensächliche herum gleich mitteilen wird. Als würde ein Onkel Brenners (welcher seinerseits auch schon schwer auf die Rente zugeht) drei Jahre hinterher, im Wohnzimmer, beim Slibowitz es nicht uns, sondern einem etwas zurückgebliebenen Familienangehörigen erzählen. Was eben heißt, dass nicht das Hervorragende des Detektivs Brenner bewundert wird, sondern das Ausgefuchste dessen, der uns über ihn was erzählt.

Obwohl ständig über sie gesprochen wird, bleibt die Brenner-Gestalt irgendwie unbestimmt und uninteressant. Ein mit Verstand und Charme nicht eben gesegneter, dafür mit viel Einsatzwillen und Risikofreudigkeit ausgestatteter Marlowe (kriegt immer auf die Schnauze, kriegt nie die Frau, kriegt alles raus), dem seine Falllösungen nicht wirklich per kriminalistischer Deduktion, sondern eher durch unverschämtes Herumstolpern in den Häusern der Verdächtigten gelingen.

Zitat:

Weil wie er schon fast bei der Haustür angekommen ist, ist der eine von den beiden Rottweilern auf einmal durch die Luft geflogen wie ein schwarzer Schneeball, oder wenn du dir diese Eisenkugeln vorstellst, mit denen sie alte Häuser abreißen. Weil der Baumeister denkt sich, da jage ich die Abbruchkugel hinein, und dann zaubere ich ein Appartementhaus hin, Marmor und alles, Goldarmaturen und alles, und dann räume ich das Geld auf die Seite, und dann gehe ich in Konkurs, siehst du: deshalb gibt es schon so viele neue Appartementhäuser zwischen den Villen auf dem Roten Berg.


[*] Diese Rezension schrieb: KlausMattes (2015-03-16)

Hinweis: Diese Rezension spiegelt die Meinung ihres Verfassers wider und muss nicht zwingend mit der Meinung von versalia.de übereinstimmen.


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