In der Aufblende ein menschliches Auge in Großaufnahme, wie im andalusischen Hund von Louis Bunuel. Der Venezolaner Gutierrez, der seinen Film in Kolumbien in der Nähe von Bogota drehte, rekurriert aber auch auf Dario Argento, den er ebenso wie das französische Märchen Blaubart zu seinen Einflüssen zählt. Ein wenig Nietzsche dürfte vielleicht auch dabei sein, denn es geht nicht nur um die ewige Wiederkehr des Gleichen, sondern auch um die Obsession älterer Männer: die Euphorie Hochzeitsnacht noch ein zweites Mal erleben zu können. Aber bis es soweit ist, erlebt der Zuseher einen kaugummibunten Farbenreigen der an Opulenz und surrealistischen Traumszenen durchaus Achtungserfolge beim Zuseher erzielt.
Surrealistisches Märchen in bester Tradition
Ein opulentes Mal für die Braut zur Begrüßung an einer langen Tafel, aber keine Gäste. Der Bräutigam trägt seine Elizabeth über die Schwelle seiner Villa, eine alte römische Tradition, die auf den Raub der Sabinerinnen anspiele, wie der Bräutigam, Henry, beflissen weiß. Assoziationen zu Dario Argento und Louis Bunuel werden wach, aber Gutierrez lässt seinen Protagonisten Henry nicht das Auge von Elizabeth, sondern die Strapse und den Büstenhalter der Braut mit einem Messer durchschneiden. Ein Auftakt für noch Schlimmeres? Elizabeth darf überall rein, in jedes Zimmer und alles gehört auch ihr, verspricht er ihr, aber sie darf nur eines nicht, den einen Raum nicht betreten. Dort befinden sich die Klone von ihr, wie sie bald selbst zu ihrem eigenen Leidwesen herausfindet. „Ich neige zu Monologen und es ist deine Aufgabe, mich davon abzuhalten“, sagt er liebevoll zu ihr. Was genau er aber damit meint, bleibt im Dunkeln. „Man misst den Wert einer Tat normalerweise an seinen Konsequenzen.“, schließt Henry seinen Monolog ab.
Spektakel in antiker Opulenz
Die surrealistische Atmosphäre wird auch dadurch erzeugt, dass Elizabeth in ihrer Verletzlichkeit und all der Buntheit ihrer wunderschönen Umgebung immer ein weißes Seidenkleid trägt und halb nackt herumlaufen muss. Schließlich verkörpert sie ja auch die Unschuld. Und dann gibt es noch Oliver. Der Blinde der alles sieht. „Im Endeffekt ist jeder von uns eine Tragödie“, meint die wissenschaftliche Kollegin, Claire, die sich von Henry für ihr eigenes Glück missbrauchen hat lassen. „Wir definieren uns über die Entscheidungen die wir treffen.“ Intelligent gestricktes, raffiniertes Spiel mit Versionen. Ein Film, den man gesehen haben muss. Aber mit beiden Augen. Ohne blinzeln.
Sebastian Gutierrez
Elizabeth Harvest
(Originaltitel: Elizabeth Harvest)
USA, 2018, 105 Minuten
Stab
Mit: Abbey Lee: Elizabeth, Ciarán Hinds: Henry, Carla Gugino: Claire, Matthew Beard: Oliver, Dylan Baker: Logan
[*] Diese Rezension schrieb: Jürgen Weber (2019-01-24)
Hinweis: Diese Rezension spiegelt die Meinung ihres Verfassers wider und muss nicht zwingend mit der Meinung von versalia.de übereinstimmen.