Die fotografischen Abbildungen von Riccardo Roiter Rigoni stammen aus mehreren Helikopterflügen, also direkt aus der Hand des Fotografen und nicht von Drohnen, wie Debora Gusson gleich in der Einleitung betont. Sie hat auch die Texte geschrieben, die jedes Kapitel einleitet. Gemeinsam haben Rigoni und Gusson schon mehrere Artikel zur 1600 Jahre langen Geschichte der Lagunenstadt publiziert.
Ebbe und Flut durch die Zeiten
"Sei ore ea cresse, sei ea càea", ein berühmtes venezianisches Sprichwort besagt nichts anderes, als alles kommt, alles geht. Im Falle von Venedig sechs Stunden. Gemeint ist natürlich das Wasser, also Ebbe und Flut. Aber das geflügelte Wort lässt sich auch auf alles andere in der Welt und im Leben anwenden. Die erste Aufnahme zeigt Sant'Erasmo, die einst auch auf den Namen Lido Albo hörte, so weiß war ihr Strand. Das dortige Kloster ist im Besitz eines Tintoretto, der das Martyrium des gleichnamigen Heiligen Erasmus zeigt. Bei Ebbe ist dort auch der Küstenstreifen "Secca al Bacan" zu sehen, ein schmaler Sandstreifen zwischen Porto di Lido und Sant'Erasmo. Weiter geht es nach San Francesco del Deserto, eigentlich eine Einsiedelei. "Beata solitudo, o sola beatitudo" (O glückliche Einsamkeit, einzige Glückseligkeit), eine Inschrift, empfängt die Besucher, die die Meditation suchen, wo einst sogar der Heilige Franz von Assisi gelebt haben soll. Nachdem die Insel lange Zeit unbewohnt war ("Del Deserto") wird sie heute wieder von Mönchen bewirtschaftet die sogar Fremdenzimmer zur Klausur anbieten. Ein magischer, heiliger Ort, bestens zur Einkehr geeignet. Ähnlich wohl wie Lio Piccolo. Hier befinden sich nur wenige Häuser und ein armenischer Kirchturm. Während Lido di Jesolo jedem bekannt sein dürfte, ist Li(d)o Piccolo ein Städtchen mit gerade einmal 22 Einwohnern deren Bezeichnung auf das lateinische Litus Minor zurückgeht. Lotus Maior war damals das heutige Lido di Jesolo. Die rund 8000 Flamingos der Lagune bevorzugen übrigens Linus Minor.
Fotografien und Geschichten über die Lagune
Manche Inseln oder Spuren von Zivilisation zeigen sich gar nur bei Ebbe. So etwa Sant' Ariano, einer alten Siedlung, die bis ins 7. Jahrhundert zurückgeht und von Tausenden Skeletten bedeckt ist. Die Stadtmauern der Insel tauchen bei Ebbe aus den Fluten auf und zeigen, wieviele Siedlungen es eigentlich schon gab, bevor das heutige Venedig, die Serenissima entstand. So auch Torcello, das im 7. Jahrhundert sogar schon Bischofssitz des Bischofs von Altinum war. Aber auch der Thron von Attila findet sich hier soweit die sagenumwobene Teufelsbrücke. Die Luftaufnahmen sind atemberaubend und zeigen die Insel auf mehreren Fotos aus den verschiedensten Perspektiven. Burano, die Spitzenklöpplerinsel mit den vielen bunten Häuschen, glänzt aus der Luft fast noch mehr. Die Texte sind äußerst lesenswert und informativ und führen zu noch mehr Interesse für einen der schönsten Orte der Welt: Venedig! Weitere Ausflüge, die beschrieben und fotografiert wurden führen u.a. zu den Verteidigungsanlagen der südlichen Lagune, Lido und Pellestrina sowie all den anderen noch unberührten größeren und kleineren Inseln
Riccardo Roiter Rigoni/ Debora Gusson
Venedig aus der Luft
2022, Hardcover, 256 Seiten, Querformat 297 mm x 210 mm
ISBN : 978-2-36195-576-2
Jonglez Verlag
39,95 Euro.
[*] Diese Rezension schrieb: Jürgen Weber (2024-03-05)
Hinweis: Diese Rezension spiegelt die Meinung ihres Verfassers wider und muss nicht zwingend mit der Meinung von versalia.de übereinstimmen.