Wer lange leben will kommt am Altwerden nicht vorbei
Der Mensch wird, wenn er lange lebt, von ganz alleine alt. Das ist klar. Aber die Art, älter und älter zu werden, die kann sich ja ganz verschieden gestalten. Um in guter Weise alt zu werden, um das Alter nicht nur als Verlust von Fähigkeiten und Möglichkeiten zu betrachten, dafür braucht es schon eine bewusste Auseinandersetzung mit dem eigenen Altern.
Mit seinem neuen Buch bietet Anselm Grün eine wunderbare Möglichkeit, sich der eigenen Zukunft zuzuwenden und, abseits aller populärer Diskussionen über Rentenansprüchen, Kostenumlagen, demographischer Problemen und der neuesten Wunderpillen der Pharmaindustrie sich dem Kern der Aufgabe des Älterwerdens zu nähern.
Zunächst leugnet er nicht, dass Älterwerden durchaus einerseits mit einem Verlust an Möglichkeiten einhergeht und einhergehen wird. Doch dies ist anderseits ja auch eine Chance. Mit dem wunderbar gewählten Bild der Bewegung der Sonne am Tag, die zu jeder Tageszeit eine andere, gleichwichtige Kraft in sich trägt, vermittelt er die Möglichkeiten, die sich im Älterwerden ergeben:
Den inneren Reichtum entdecken dürfen. Aus den Erfahrungen heraus schöpfen können. Das eigene Leben, wie es sich gestaltet hat und jetzt ist, annehmen lernen. Im Lauf der vorrückenden Jahre das Loslassen einüben und merken, wie gut es auch tun kann, vieles, an dem wir uns jahrelang zwanghaft festgehalten haben, mit befreienden Gefühlen weggeben zu können. Und mit diesen beiden bewussten Vorgängen dann über sich hinausgehen zu können. Nicht mehr zu Leistungs- oder materiellen Zielen hin, sondern zu den großen Tugenden des Alters. Gelassenheit, Geduld, Sanftmut, Freiheit, Dankbarkeit und Liebe. Tugenden, die die wahre Frucht des Lebens letztlich ausmachen und den Weg für ein wirklich "buntes" Lebensalter ebnen, das einem so kein Freizeitpark zu liefern vermag.
Wie er im letzten Kapitel seiner gut 140 Seiten umfassenden Orientierung für das Älterwerden dann das eigene Sterben als spirituelle Herausforderung und zu gestaltende Aufgabe beschreibt, berührt tief.
In gewohnt eingängiger Sprache und wunderbarem Stil nimmt sich Anselm Grün eines wirklichen "Massenthemas" an und versteht es, dieses aus der inneren Sicht her ganz anders zu betrachten und bewerten, als es alltäglich üblich ist. Bar jeder Aggressivität, die oft in der öffentlichen Diskussion im Blick auf das Alter mitschwingt. Aus der Kraft seines Glaubens, mit vielen Verweisen auf grundlegende Erfahrungen der Bibel, aber auch wie gewohnt belesen und Zitate aus allen Jahrhunderten verarbeitend, bietet Anselm Grün eine wirkliche Orientierung für das eigene Leben und den eigenen Umgang mit dem Älterwerden.
Fazit:
Jedem zu empfehlen, der im Blick auf das eigene Älterwerden seine Zukunft als eine Zeit des Reifens- und Wachsens gestalten möchte, damit das eigene Leben Tiefe erlangt. Ein Buch, dass die Sorge um das Älterwerden und die oft anzutreffende Unlust, darüber nach zu denken, aufnimmt und in einen guten Ausblick verwandelt.
[*] Diese Rezension schrieb: Michael Lehmann-Pape (2010-05-05)
Hinweis: Diese Rezension spiegelt die Meinung ihres Verfassers wider und muss nicht zwingend mit der Meinung von versalia.de übereinstimmen.