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Florent Grouazel - Éloi
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Grouazel, Florent:
Éloi

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(Bücher frei Haus)

„Die grüne Jugend ist der wahre Schatz des Menschen. Die uns verbleibenden Jahre sind nichts als Winter“, meint ein Offizier an einer Stelle dieses ungewöhnlichen Comics. Die Graphic Novel, die im Jahre 1842 hauptsächlich auf der Fregatte „La Renommée“ spielt, ist mal in starkes, mal in blaßeres Blau getaucht und entführt den Leser in die Welt der Abenteurer und Entdecker, Naturforscher und Kapitäne, Eingeborenen und Siedler. Pierre Delaunay ist ein Naturwissenschaftler, dessen Interesse an der Reise nach Neukaledonien hauptsächlich der Bestätigung seiner Theorie gilt, der Phrenologie. Diese versuchte zu Beginn des 19. Jahrhunderts bestimmte geistige Eigenschaften bestimmten Gehirnregionen zuzuordnen. Schädel- und Gehirnform und Charakter wurden so in Zusammenhang gebracht und obwohl diese Theorie ideologisch ist, stellte sie doch einen Vorläufer zur heutigen Neuro- und Kognitionswissenschaft dar. Eine der weniger modernen Methoden der Phrenologie ist übrigens die Trepanation, eigentlich Kraniotomie, also die operative Öffnung des Schädels, um negative Luft entweichen zu lassen.

Kanaken statt Odalisken
Die meisten Männer auf der La Renommée hofften in Neukaledonien „Inseln voller Harems mit Odalisken“ zu entdecken. Aber alles was sie dort wirklich vorfanden, waren Pflanzen und Eingeborene. Nachdem es sonst nichts zu erbeuten gibt, nehmen sie den Eingeborenen Éloi kurzerhand mit nach Frankreich, er soll der erste seines Stammes sein, der Paris zu sehen kriegt. Natürlich ist auch ein Priester mit an Bord der Fregatte und er verwickelt die Offizierscrew immer wieder in wertvolle Gespräche über die Seele der Eingeborenen, die er nicht als „Wilde“ sehen kann, sondern als Gottes Geschöpfe. Auf der Fregatte kursieren aber immer wieder Gerüchte, dass Éloi zu einem Volk gehöre, das auch Menschen fresse. So wird der junge Eingeborene auf dem Schiff herumgereicht, weil ihn keiner wirklich in seiner Nähe haben will und die rauen Matrosen erlauben sich allerhand Scherze mit dem Jungspund. Nicht unbedingt rassistische Scherze, möchte man hinzufügen, denn sie würden jeden anderen Neuen ebenso behandeln. Die Bezeichnung Kanake für die Bewohner der südwestpazifischen Inseln hatten anfangs eine abwertende Konnotation, der durch den rassistischen Kontext der Kolonialisierung geprägt wurde. In den 1970ern wurde der Begriff aber durch die politische Emanzipationsbewegung der Einheimischen Neukaledoniens als Eigenbezeichnung mit Stolz wieder eingeführt und sie fügten dem Begriff „Kanake“ so eine neue Bedeutung hinzu. Éloi steht für Eligius, lateinisch, der von Gott Auserwählte, auch bekannt unter Elias.

Körper oder Seele
„Eines schönen Tages wird die Phrenologie die Essenz dessen ans Licht bringen, was uns von den Primitiven unterscheidet“, verkündet Delaunay am Offizierstisch. Dass die Wilden keine Moral besäßen wird zum allgemeinen Tenor auf dem Schiff, eigentlich glaubt nur der Priester an ihre Seele, also ihr Menschsein im eigentlichen Sinne. Als Éloi schließlich sprechen lernt, denn die Überfahrt nach Frankreich dauert lange, wird er bald zum Aufrührer, denn mit der Sprache, der Möglichkeit, sich zu artikulieren, lernt er auch, die Herren des Schiffes herauszufordern. Anfangs macht er selbst Scherze über seinen Kannibalismus und alle lachen mit, doch bald ist er die Belustigungen leid und auch den Kapitän, der ihn immer wieder erniedrigt. Als er sich bei einem Offizier ein Messer stibitzt, beginnt sich die Handlung von einem harmlosen Kammerspiel zu einem dramatischen Krimi zu entwickeln und so wird die Graphic Novel alsbald zu einem richtigen Pageturner. Die anfangs zitierte „grüne Jugend“ kann auch ein Schlachtfeld sein, aus der es nur ein Entkommen durch das Altern gäbe. Aber ob Éloi dieses Schicksal beschieden ist, erfahren Sie nur in diesem Comic. Der Rest ist Winter.

Florent Grouazel/Younn Locard
Éloi.
Übersetzung aus dem Französischen Annika Wisniewski
avant-verlag, Großformat, 223 Seiten

[*] Diese Rezension schrieb: Jürgen Weber (2015-11-20)

Hinweis: Diese Rezension spiegelt die Meinung ihres Verfassers wider und muss nicht zwingend mit der Meinung von versalia.de übereinstimmen.


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