Der Titel dieses Buches hat mich sofort an ein Buch des britischen Neurologen Oliver Sacks erinnert, das den Titel trug „Der Mann, der seine Frau mit seinem Hut verwechselte“, das ich 1985 nach seinem Erscheinen mit großer Begeisterung gelesen habe. Auch in den dann folgenden Büchern beschrieb er komplexe Krankheitsbilder anhand von Fallbeispielen allgemeinverständlich in zwanglos-anekdotischem Stil. Sein Ziel war es dabei, neben der modernen Wissenschaft die betreffenden Menschen nicht aus dem Blick zu verlieren, hinter jeder Erkrankung das individuelle Schicksal zu erkennen und die eigene Normalität in Frage zu stellen.
Die hier vorliegenden Fallgeschichten des Psychoanalytikers Stephen Grosz sind kürzer, aber nicht weniger prägnant. Geschichten, die die Merkwürdigkeiten menschlichen Verhaltens beschreiben, in denen sich das Unbewusste zeigt. Es ist der Ort, sagt er, wo unsere Probleme verborgen sind, aber auch der, wo wir die Lösungen finden können.
Aus über 50 000 Gesprächen, die er als Analytiker geführt hat, hat er etwa drei Dutzend Fallgeschichten ausgewählt und sie unter die Rubriken:
Die Geschichten haben mich sehr berührt, oft eigene Erinnerungen geweckt und solche an die unzähligen Menschen, mit denen ich im Laufe meines Lebens gesprochen habe und denen ich begegnete. Oft habe ich nicht verstanden, was mit ihnen los war, doch meist gespürt, dass hinter meinem Unverständnis sich etwas anderes verbirgt, etwas, was seine eigene, mir unzugängliche Geschichte hat. Es sind Geschichten darüber, wie Menschen sich verlieren und wie sie sich wiederfinden. Berührend, ermutigend und voller Menschlichkeit.
Ich bin kein Analytiker, doch ich bin überzeugt, dass das, was der Autor über sein Buch schreibt, von mehr Menschen im Alltag beherzigt, zu mehr Menschlichkeit untereinander führen würde:
„Dieses Buch handelt von unserem Wunsch zu reden, zu verstehen und verstanden zu werden. Es geht aber auch ums Zuhören, nicht nur darum, den Worten zu lauschen, sondern auch um die Stille, die Lücken dazwischen. Allerdings ist das, was ich hier beschreibe, kein magisches Geschehen. Es ist Teil unseres alltäglichen Lebens.“
Stephen Grosz, Die Frau, die nicht lieben wollte und andere wahre Geschichten über das Unbewusste, S. Fischer 2013, ISBN 978-3-10-028715-1
[*] Diese Rezension schrieb: Winfried Stanzick (2013-09-02)
Hinweis: Diese Rezension spiegelt die Meinung ihres Verfassers wider und muss nicht zwingend mit der Meinung von versalia.de übereinstimmen.