Jim Morrison, der heuer seinen 70. Geburtstag feiern würde, hatte als Leadsänger der Doors die Rolle des „Dionysos der Rockmusik“ übernommen, obwohl er eigentlich Apoll gleich zur Sonne strebte, aber er stürzte ab wie ein Dädalus, weil er ihr wohl zu nahe kam und auch seine Flügel nur aus Wachs waren. Sein früher Tod (mit 27 Jahren!) machte ihn zu einer Legende und einem der prominentesten Mitglieder des „Club 27“, dabei wollte er eigentlich ein neues Leben als Dichter beginnen und hatte in seinem neu gewähltem Refugium Paris noch gar nicht vor zu sterben, doch Pamela musste ihn ja mit diesem Gift versorgen oder hatte er einfach schon zu viel erlebt? Eigentlich war ja „Light My Fire“ immer das Lied der Doors, das ich am meisten hasste, aber es gab dennoch nie einen Zweifel an seiner Genialität, denn besonders bei Live-Auftritten bot es unzählige Möglichkeiten der Neuinterpretation und Improvisation. Der Musikkritiker Greil Marcus, der die Doors mit Jim Morrison noch einige live gesehen hatte, legt mit der zu einem Buch zusammengefassten Aufsatzsammlung nicht nur eine Bilanz seiner besten Doors-Songs vor, sondern darüber hinaus auch ein neues Narrativ der Sixties, denn wie einige Liveaufnahmen der Band zeigen, hatten die Doors ein gestörtes Verhältnis zu ihrem Publikum: es wollte nämlich immer nur diesen einen Song hören, Light My Fire!
„Come on baby, light my fire“
Das Lied, das zum Fluch der Band werden sollte, war aber auch hauptverantwortlich für ihren Erfolg und ihr Image als bad boys. Nachdem sogar die Rolling Stones, die eigentlichen bösen Buben des Rock, in der berühmten Ed Sullivan Show ihren Song „Let’s spend the night togehter“ in „Let’s spend some time“ umdichteten, war es an den Doors, die Ehre des Rock`n´Roll und damit der Gegenkultur zu retten. Die beanstandete Textzeile „Girl, we couldn’t get much higher“ wurde von Morrison nämlich genau so gesungen, wie er sie mit Robbie Krieger zusammen verfasst hatte. Die Doors riskierten damit nicht nur den Rauswurf aus der Sendung, sondern auch ein komplettes Auftrittsverbot in weiteren Shows und in Konzerthallen. Aber ihrem Sänger war dies nicht immer noch nicht genug, denn er wollte die Grenzen der Zensur noch weiter austesten und sollte später in Miami das bekommen, was einem Supergau gleichkam: ein nationwide verhängtes Auftrittsverbot. Nichtsdestotrotz verhökerten die anderen drei Doors „Light my Fire“ derweilen als Jingle an eine Autofirma. Jim Morrison war antikommerziell und wurde vielleicht genau damit zum Vorläufer der Punkbewegung, da sich erst in den Siebzigern etwas Unverkaufbares auch verkaufen ließ.
Die ganze Welt schaut zu?
„The whole world is watching“, sei nichts Anderes als ein Mythos gewesen, schreibt Greil, denn „die Vorstellung, dass man etwas machen könnte und dass es sofort von Gewicht wäre, dass es zu einem Prüfstein avancieren würde, als eine Saga der Befreiung, als eine Geschichte, die man sich in alle Ewigkeit erzählen würde“, sei Makulatur geworden. Dennoch habe bis weit in unsere Tage, dieser Mythos existiert, dass die Sixties etwas ganz Besonderes gewesen seien und Greil habe sich oft gefragt, warum diese jungen Leute keine eigene Kultur hatten, mit der sie uns konfrontieren könnten., schreibt er in seinen Überlegungen vor der Boxoffice zum damals neuen Oliver Stone Doors Film stehend. Kultur aus der Retorte? Abgesehen von dem angesprochenen Generationenkonflikt sind Marcus Greils Ausführungen natürlich erfrischend zu lesen und vor allem macht es Lust, alle Alben nochmals von vorne bis hinten neu durchzuhören und mit dem Autor in Disput über die einzelnen Songs zu treten. „The time to hesitate is through/No time to wallow in the mire/Try now we can only lose/And our love become a funeral pyre/Come on baby, light my fire“!
Greil Marcus
The Doors
ISBN: 978-3-462-04510-9
256 Seiten, Paperback
Titel der Originalausgabe: The Doors. A Lifetime of Listening to Five Mean Years
Aus dem amerikanischen Englisch von Fritz Schneider
KiWi 1323
Euro (D) 9,99 | sFr 14,50 | Euro (A) 10,30
[*] Diese Rezension schrieb: Jürgen Weber (2013-07-19)
Hinweis: Diese Rezension spiegelt die Meinung ihres Verfassers wider und muss nicht zwingend mit der Meinung von versalia.de übereinstimmen.