Ein von seinem amerikanischen Arbeitgeber für einige Zeit zur bulgarischen Filiale entsandter Mann in mittleren Jahren erzählt in diesem Buch von Garth Greenwell von seinen Erfahrungen, die er als Homosexueller in Sofia gemacht hat.
Der namenlose Erzähler ist Lehrer. Eines Tages - es ist Hebst und ungewöhnlich warm- betritt er auf der Suche nach Sex die öffentlichen Toiletten des Kulturpalastes in Sofia. Dort trifft er auf Mitko, einen jungen Mann, der auf den Lehrer sofort einen großen Eindruck macht. Das Charisma aus Begehren und Gefahr zieht ihn unwiderstehlich an.
Der Amerikaner gibt Mitko Geld für seine Dienste, auch in den nächsten Wochen, als er ihn immer wieder trifft. Wahnsinnig angezogen von diesem widersprüchlichen jungen Mann, fühlt er sich zunehmend gefangen in seinem Begehren und in einer so noch nie erlebten Beziehung, in der das Bedürfnis nach Zärtlichkeit immer wieder gewalttätige Züge annimmt.
In vielen historischen Rückblenden lässt Garth Greenwell seinen Protagonisten sich seiner durchaus komplizierten Vergangenheit stellen. Immer wieder versucht er, sich von dem jungen Mann zu lösen, doch nicht nur das sexuelle Begehren, sondern auch Gefühle für ihn, die er bald schon hat, verhindern das. Auch seine viele Privilegien als Ausländer stehen wie eine Mauer zwischen den beiden Männern.
Garth Greenwell baut auf eine ehrliche, schonungslose und trotzdem poetische Weise eine spannungsvolle Atmosphäre auf, in der Scham, Begehren, Lust und unterschwellige Aggression ein widersprüchliches Gemisch bilden.
Der namenlose Ich-Erzähler übt sich vergeblich in einer permanenten Selbstreflexion, die ihn aber nicht aus seinem Dilemma heraushelfen kann.
Obwohl mir selbst als heterosexueller Leser die Thematik völlig fremd blieb, kann ich den Roman würdigen, der sich mit einer alle Menschen berührenden Thematik beschäftigt: wie bin ich eigentlich zu dem geworden, der ich bin?
Dennoch bleibt „Was zu dir gehört“ in seiner Hoffnungslosigkeit ein sehr trauriges Buch.
Garth Greenwell, Was zu dir gehört, Hanser Berlin 2018, ISBN 978-3-446-25852-5
[*] Diese Rezension schrieb: Winfried Stanzick (2018-09-13)
Hinweis: Diese Rezension spiegelt die Meinung ihres Verfassers wider und muss nicht zwingend mit der Meinung von versalia.de übereinstimmen.