Das vorliegende Buch war 2006 nach seinem fulminanten Debüt “Eine wie Alaska“ John Greens zweites Buch, das 2008 auch zum ersten Mal bei Hanser in München verlegt wurde. Nach den großen Erfolgen seiner letzten Romane „Margos Spuren“ (2010) und „Das Schicksal ist ein mieser Verräter“ (2012) hat der Hanser Verlag dieses frühe Werk in diesem Herbst noch einmal neu aufgelegt.
Es ist die Geschichte von Colin, dem hyperintelligenten Sohn jüdischer Eltern, der schon sehr früh als kleiner Junge als Genie gehandelt wurde, später sich selbst aber zum Wunderkind herabstuft, als seine Entwicklung ins Stocken gerät. Vielleicht hängt das auch damit zusammen, dass er sich im Laufe seiner Kindheit bis zum Zeitpunkt der Erzählung als 16/17- Jähriger insgesamt 19 Mal in verschiedene Mädchen verliebt, die alle den Namen Katherine tragen. Während er permanent lernt und höchstkomplizierte Bücher liest, frönt er seinem Tick und bildet in Sekundenschnelle aus allen Wörtern und Sätzen Anagramme. Und er beherrscht etwa ein Dutzend Sprachen, die er sich selbst beigebracht hat. Und er versucht, seine Erfahrung des Sitzengelassenwerdens in eine mathematische Formel und eine Kurve zu bringen, um sich für die Zukunft besser gewappnet zu wissen.
Gott sei Dank hat dieser bedauernswerte Junge einen Freund namens Hassan, einen libanesischen Moslem (…“ ich bin aber kein Terrorist!“ ), der kaum zur Schule geht und Colin ins Herz geschlossen hat. Er überredet ihn auch, einmal auszuspannen und eine Urlaubsfahrt ins Blaue zu unternehmen. Colins Eltern stimmen schweren Herzens zu (sie erkennen, dass er auch ein normales Leben braucht) und so fahren die beiden mit Hassans altem Oldsmobil, den er „Satans Leichenwagen“ nennt, los ins Blaue.
Sie landen, angelockt von einem Schild, dass auf das Grab Erzherzogs Franz Ferdinands von Österreichs, dessen Ermordung den Ersten Weltkrieg auslöste, hinweist, in dem kleinen Kaff Gutshot. Dort lernen sie das Mädchen Lindsay und ihre nette Mutter kennen. Sie leitet eine Fabrik, die Fäden für Damentampons herstellt. Sie bietet den beiden Jungs einen Sommerjob an. Sie sollen die aktuellen und ehemaligen Mitarbeiter der Fabrik interviewen. Warum, wird später deutlich. Währenddessen bastelt Colin weiter an seiner Formel, mit der er vorhersagen will, wer in einer Partnerschaft wen verlassen wird und wann.
Lindsay interessiert ihn zunächst nicht. Erstens heißt sie nicht Katherine und zweitens ist sie schon befreundet mit einem anderen Colin. Wie sich im Laufe von wenigen Wochen diese Ausgangslage ändert, und Colin langsam erkennt, dass sich die Zukunft nicht mit Mathematik berechnen lässt, vor allem nicht die Liebe, beschreibt John Green auf eine wunderbar witzige und stellenweise schräge Weise. Der Kontrast von Colin und Hassan etwa ist genial ausgemalt. Und etwas, was wir aus anderen Büchern Greens kennen: es geht viel um Philosophie, den Sinn des Lebens, die Faszination jugendlicher Liebe und immer wieder um die Bedeutung von Geschichten.
Die, die er selbst erzählt, ist wunderbare Unterhaltung, auch wenn die Mathematik mir manchmal zu viel wurde.
John Green, Die erste Liebe (nach 19 vergeblichen Versuchen), Hanser 2016, ISBN 978-3-446-25313-1
[*] Diese Rezension schrieb: Winfried Stanzick (2016-09-06)
Hinweis: Diese Rezension spiegelt die Meinung ihres Verfassers wider und muss nicht zwingend mit der Meinung von versalia.de übereinstimmen.