Wer von dem ersten Teil der Autobiographie, Wir sind Gefangene, im wahrsten Sinne des Wortes gefangen wurde, der sollte unbedingt deren Fortsetzung lesen. Gelächter von außen ist in ihrer Entstehung allein bereits ein Zeitdokument. Erschien Wir sind Gefangene im Jahr 1927, so musste ein zweiter Teil fast vierzig Jahre warten. Oskar Maria Graf ging nach seinem berühmten Aufruf „Verbrennt mich! 1934 nach Brünn ins tschechische Exil und floh wiederum von dort 1938 nach New York City, wo er bis zu seinem Tod 1967 lebte. Erst ein Jahr vor seinem Tod erschien Gelächter von außen, die Fortsetzung nach der Niederschlagung der Münchner Räterepublik bis hin zur Machtergreifung durch die Nationalsozialisten. Graf hatte die Fortsetzung in seiner letzten Wohnstätte, der Hillside Avenue im Norden Manhattans geschrieben und es war das Fazit eines alternden Mannes, der wusste, dass er nicht mehr nach Deutschland zurückkehren würde.
Dabei griff Graf auf die anekdotische, lakonische Reminiszenz zurück, ohne jemals ins Triviale abzugleiten. Es ist eine Kaleidoskop der zwanziger Jahre, der Münchner Boheme, der erzielten Schockwirkung durch Chagalls Blauen Reiter, der aberwitzigen Dramaturgie des Münchner Hitlerputsches, der Orientierungslosigkeit und nicht gelingenden Integration des Offizierskorps aus dem I. Weltkrieg, der wachsenden Arbeitslosigkeit, der fortschreitenden politischen Radikalisierung der Gesellschaft.
Graf gelingt es, die historische Dichte wie etwas Unvermeidliches dahin gleiten zu lassen, ohne sich parteiliche Zwischenverweise zu verweigern. Passagen wie die über den Hitlerputsch können grotesker nicht sein, seine Schilderung, in der er auf einem Atelierfest in persona Hitler die Treppe hinunterwirft, weil er dessen penetrantes Geschwafel nicht mehr erträgt, dokumentieren, dass die Intellektuellen diesen Irren, der er blieb, aber der politisch dennoch politisch zur Geltung kam, einfach nicht ernst nahmen. Gleichzeitig beschreibt Graf sein eigenes, stetiges Avancement zum be- und geachteten Schriftsteller, seine mit der Etablierung einhergehende wachsende politische Wurstigkeit und Sympathie für das gute Leben. Wie in Wir sind Gefangene erregt die Courage zur Wahrheit und Selbstoffenbarung. Biographisch ist es die Entwicklung vom Bäckergesellen zum Bohemien und Anarchisten, und von dort zum Schriftsteller, der sich seiner politischen Verantwortung stellt. Oskar Maria Graf, der von politischen Parteien Umworbene, der sich seinem individualistischen Programm treu bleibt und dennoch die Bündnisse und Koalitionen findet, in denen er sich gegen das Barbarische stellt.
Zwischen beiden Teilen der Autobiographie liegt ein gewaltiger Bruch. Dennoch begreift man, dass die Flucht aus dem bayrischen Dorf im Jahre 1911 bereits der Eintritt in ein Exil war, das nie enden sollte und 1967 im Mount Sinai Hospital in Manhattan seinen Abschluss fand. Es ist die Geschichte von einem rebellischen Exil und der ewigen Utopie einer menschlichen Provinz.
[*] Diese Rezension schrieb: Gerhard Mersmann (2011-01-19)
Hinweis: Diese Rezension spiegelt die Meinung ihres Verfassers wider und muss nicht zwingend mit der Meinung von versalia.de übereinstimmen.