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Oskar Maria Graf - Wir sind Gefangene
Buchinformation
Graf, Oskar Maria - Wir sind Gefangene bestellen
Graf, Oskar Maria:
Wir sind Gefangene

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(Bücher frei Haus)

Es ist eine Geschichte, wie sie dramatischer nicht sein könnte. Sie handelt von einem Jungen, der in eine oberbayrische Bäckerfamilie am Starnberger See hineingeboren wird und endet, im frühen Mannesalter, mit der Existenz eines Mannes, der Krieg, Psychartrie und Revolution durchlebt hat, als Nachkriegsschieber überlebt und sich die Frage nach der Zukunft stellt. Oskar Maria Graf hatte mit seiner Autobiographie den eigenen Lebensweg bis zum Ende der Münchner Räterepublik beschrieben und wurde mit diesem Werk über Nacht berühmt. Der Roman wurde in alle Weltsprachen übersetzt und galt als eines der großen Epen über den Ersten Weltkrieg und das Zeitalter der Revolution. Oskar Maria Graf, der gelernte Bäcker und Autodidakt, verfügte über die große Gabe des mündlichen Erzählens und er nahm kein Blatt vor den Mund. In der zeitgenössischen Rezeption überwog in der vielfältigen positiven Bilanz vor allem eines: Die bis zur Selbstentblößung reichende Ehrlichkeit.

Oskar Maria Graf beschreibt in Wir sind Gefangene seine Kindheit in Berg, zusammen mit seinen vielen Geschwistern, von denen einige den „Kindstod“ erlitten, von seinem Vater, der bald starb und dem ältesten Bruder, der verdorben war durch das Militär und die Bäckerei übernahm. Oskar musste als Kind mitarbeiten und wurde geschlagen. Schon früh entdeckt er seine Liebe zur Literatur, bestellt sich heimlich Bücher über einen Nachbarn, liest Heine, Schiller und vor allem Tolstoi. Quasi in der familiären Illegalität sucht er seine Emanzipation in der literarischen Bildung. Als sein Bruder davon erfährt, schlägt er ihn windelweich. Oskar flieht, kaum siebzehnjährig, nach München und sein Entschluss steht fest: Er will Schriftsteller werden. Graf landet in Schwabing, lebt von Gelegenheitsarbeiten, tut sich mit dem Maler Georg Schrimpf zusammen und die beiden tauchen in das wilde leben der Boheme ein und saugen mit ihr das Rebellentum noch mehr in sich auf. Er lernt Erich Mühsam kennen und begibt sich in anarchistische Kreise. Als der Krieg ausbricht, wird er gezogen, landet an der Ostfront und erleidet einen Nervenzusammenbruch. Ein Jahr lang spricht er nicht und wird kurz vor Kriegsende aus der Nervenheilanstalt Haar entlassen. Zurück in München, kurz vor dem militärischen Zusammenbruch, deuten die Zeichen auf Revolution. Graf, der sich nach wie vor nicht mit dem Schreiben über Wasser halten kann, führt eine Wechselexistenz zwischen Revolutionär und Schieber, mal ist er auf Versammlungen, und dann, als es los geht, mit Kurt Eisner beim Sturm auf das Regierungsviertel dabei. Andererseits handelt er mit Seidenstrümpfen, Kognak, Schokolade und Zigaretten säuft Champagner und geht zu den Huren. Als die Räterepublik im Blut erstickt wird, weiß er, wo er steht, ohne zu leugnen, wo seine menschlichen Schwächen zu suchen sind.

Wir sind Gefangene ist bis heute ein atemberaubendes Buch, weil es befeuert durch die ungezügelte Wahrheit, die in ihm steckt. Eine exzellente Erzählung, eine Hommage an die autodidaktische Bildung und ein unbarmherziges Bekenntnis zur Menschlichkeit.


[*] Diese Rezension schrieb: Gerhard Mersmann (2010-07-07)

Hinweis: Diese Rezension spiegelt die Meinung ihres Verfassers wider und muss nicht zwingend mit der Meinung von versalia.de übereinstimmen.


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