Wer den Weg von Charly Graf, dem Underdog, dem Besatzerkind aus den Mannheimer Benz Baracken authentisch erzählt bekommen will, der muss dieses Buch lesen. Zusammen mit dem Autor Armin Himmelrath ist ein auf 170 Seiten spannendes Buch entstanden, das einerseits von der direkten Berichterstattung des Ausnahmeboxers selbst lebt und andererseits durch eingeschobene Berichte und Dokumentationen aufgehellt wird, die den mittlerweile schon historischen Hintergrund illustrieren.
Charly Graf hat mit seinem Leben, das aus bürgerlicher Sicht nicht erfolgreich verlaufen ist, zwei eiserne Gesetze des Boxens außer Kraft gesetzt und ist somit eine Ausnahmeerscheinung. Sowohl hat er durch das Erringen der deutschen Meisterschaft quasi aus der Haft heraus das Gesetz des They´ll never come back durchbrochen. Und des Weiteren hat er den weit verbreiteten Spruch der Boxerszene negiert, dass mein einen Boxer zwar aus dem Ghetto, das Ghetto aber nie aus dem Boxer herausholen könne. Letzteres macht das bizarre, erschreckende und so wertvolle Leben dieses Underdogs aus, der gegen den Untergang ins Feld zog und nach Punkten deutlich gesiegt hat.
Die hier erzählte Autobiographie mutet an wie aus einer anderen Zeit, eher wie ein Exzerpt aus einer modernen Dreigroschenoper. Die kindliche Existenz in den Baracken, der schnelle Aufstieg durch den Boxsport, die verkommene Moral der Promoter, das Milieu der Zocker und Zuhälter, die missverstandene Liebe, der Knast, die Meuterei und die eigenartige Symbiose mit einem RAF-Terroristen, das Comeback, die Existenz als Viehtreiber im Allgäu und die ungeheuer wertvolle Arbeit in Mannheimer Schulen, in denen er die anspricht, von denen er auch einmal einer war und zu denen er sozial immer noch gehört.
Charly Graf erzählt den Prozess einer schmerzhaften Läuterung, er berichtet, wie er sich durch Bildung einen Grad von Freiheit errungen hat, von dem er vorher nicht ahnte, dass es ihn gibt. Von seinen Enttäuschungen und Niederlagen berichtet er genauso wie von seinen großen Triumphen. Ob der Ali vom Waldhof oder der schwarze Graf, der Boxer Charly Graf passte in viele Klischees und ist dennoch einen Weg gegangen, den letztendlich kein Klischee mehr bedienen kann: Den der Kämpfe und Niederlagen und einer Erkenntnis jenseits aller Boxweisheiten: Dass jedes Individuum seinen Wert hat, dass die menschliche Existenz Respekt verdient und dass Selbstdisziplin und innere Stärke eine Voraussetzung dafür sind, sich von den psychologischen Gravitationskräften der Klassengesellschaft befreien zu können.
Das Buch ist bewegend und geht jedem unter die Haut, der mehr als eine akademische Vorstellung von Armut hat. Es ist ein Beweis von Stärke und Durchsetzungsvermögen, von Charakter und Haltung, erkämpft aus dem Nichts! Charly Graf ist einer der ganz Großen!
[*] Diese Rezension schrieb: Gerhard Mersmann (2011-04-08)
Hinweis: Diese Rezension spiegelt die Meinung ihres Verfassers wider und muss nicht zwingend mit der Meinung von versalia.de übereinstimmen.