Lene, die uns in diesem mit kunstvoller Sprache verfassten Roman von Svenja Gräfen die Geschichte ihrer ersten großen Liebe erzählt, ist in einer guten, gebildeten Familie behütet aufgewachsen und hat zu dieser auch nach ihrem Wegzug nach Berlin ein gutes Verhältnis. Nun lebt sie mit ihrer besten Freundin in einer WG.
„Als ich Hendrik traf, vergaß ich für einen Moment, dass es je eine Zeit gegeben hatte, in der er noch keine Rolle spielte.“ So beginnt ihre Erzählung. Eine eigentümlich schöne Beschreibung dessen, was passiert, wenn ein Mensch sich verliebt. Sie stürzen regelrecht ineinander, nicht nur ihre Körper verschmelzen, sondern auch ihre Zukunft:
„Die Abende, die Nächte gehörten uns. Wir gingen nicht raus. Wir hatten hier alles, was wir brauchten, das heißt: uns. Wir hätten uns auch in einer Bar gehabt, im Kino, in einem Restaurant; aber eben nicht so, wir hätten uns teilen müssen mit einer ganzen Welt, die nach Aufmerksamkeit schrie.“
Lene ist glücklich, und zunächst macht es ihr nichts aus, dass der eher stille Hendrik so wenig aus seinem Leben erzählt. Das war, wie sich sukzessive herausstellt, nicht leicht. Ob Hendrik im Laufe des Jahres, das in dem Roman beschrieben wird, alles selbst erzählt hat, oder ob die Autorin einen auktorialen Erzähler eingeschaltet hat, bleibt undeutlich.
Tatsächlich aber wird deutlich, dass sein manchmal äußerst merkwürdiges Verhalten, das auch Lenes große Liebe nicht mehr übersehen kann in einem Zusammenhang steht mit Hendriks Vergangenheit, seiner Herkunftsfamilie, aus der er floh, nachdem der mysteriöse Tod seines Vaters sie zerstört hatte. Und da ist zunehmend Hendriks Beziehung zu seiner früheren Partnerin Klara, seiner ersten großen Liebe die sich bei ihm meldet und sich in Erinnerung bringt
All das schleicht sich immer mehr in die vorher so lockere Beziehung zwischen Lene und Hendrik und nagt an ihr. Wie die Geschichte ausgeht, soll hier nicht verraten werden. Doch der Hinweis sei gestattet, dass dieses Buch auch für den schon etwas älteren Leser eine Menge Erinnerungen wachruft an Zeiten, wo die Liebe über einen kam wie ein plötzlicher Sturm. Aber vielleicht auch an Beziehungen, die durch die Vergangenheit und das erlebte Schicksal des Partners schweren Belastungsproben ausgesetzt waren.
Svenja Gräfen, Das Rauschen in unseren Köpfen, Ullstein 2017, ISBN 978-3-96101-004-2
[*] Diese Rezension schrieb: Winfried Stanzick (2017-04-25)
Hinweis: Diese Rezension spiegelt die Meinung ihres Verfassers wider und muss nicht zwingend mit der Meinung von versalia.de übereinstimmen.