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Peter Goldsworthy - Maestro
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Goldsworthy, Peter:
Maestro

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(Bücher frei Haus)

Wir schreiben das Jahr 1967. Paul Crabbe lebt mit seinen Eltern in Darwin im äußersten Norden Australiens. Eines Tages bringt Pauls Mutter den Jungen zu einem alten Klavierlehrer namens Eduard Keller, der seit langer Zeit in der Stadt wohnt und in seiner kleinen Wohnung Kindern und manches Mal auch Erwachsenen Klavier -und Musikunterricht gibt. Sie möchte, daß Keller Paul unterrichtet und ist auch mit seinen eher ungewöhnlichen Unterrichtsmethoden einverstanden und verteidigt sie gegenüber ihrem Mann, als sie ihm davon berichtet und der eher ablehnend reagiert.

Paul ist fünfzehn Jahre alt und brennt darauf zu spielen, sein Klavierspiel zu verbessern und ein Großer zu werden, doch Eduard Keller verbringt Stunden damit, Paul die nach seiner Meinung für die Musik essentiellen Grundlagen beizubringen, unter anderem die Fähigkeit, zuzuhören. Dann sagt Keller nach einigen Stunden Sätze voller unverständlicher Weisheit wie zum Beispiel:
"Wir müssen uns vor der Schönheit hüten, immer. Traue nie der Schönheit."

Paul Crabbe ist verstört, fühlt sich in seinem Lernen gebremst , und dennoch bleibt er bei diesem geheimnisvollen Lehrer, der so ganz anders ist, daß es ihn schon wieder anzieht. Als er über Weihnachten mit seinen Eltern für einige Wochen in den Süden fährt und von Keller eine signierte Erstausgabe des Notenwerks eines berühmten europäischen Komponisten erhält, fängt Paul an, über Eduard Keller Nachforschungen anzustellen. Er besucht Bibliotheken, eine Bibliographie folgt der nächsten, bis er auf folgende kurze Notiz stößt:
"Strauss' (d.i. Richard Strauss) Schwiegertochter hatte mehr Glück als andere.... Auch ihre Ehe mit dem österreichischen Pianisten Eduard Keller konnte die gefeierte jüdische Altistin und Wagnerspezialistin Mathilde Rosenthal nicht retten, die in Auschwitz vermutlich 1942 ums Leben kam."

Nach seiner Rückkehr nach Darwin sieht Paul seinen ungewöhnlichen Lehrer mit anderen Augen. Er versucht ihn zu fragen über seine Geschichte, entdeckt irgendwann die eingebrannte Seriennummer aus Auschwitz auf dessen Unterarm, doch Eduard Keller bleibt zurückhaltend. Paul entwickelt sich gut als Pianist, gewinnt auch einige Wettbewerbe, ohne jedoch der große Überflieger zu werden.
Irgendwann kommen Paul und Eduard sich aber näher und es kommt zu folgendem Dialog:
"'Ich verstehe nicht, warum Sie nicht weggegangen sind?'
,Wie weggegangen?'
,Aus Wien. Als die Nazis an die Macht kamen. Waren Sie nicht
besorgt ?'
,Man hofft immer auf das Beste. Diese Dinge sind im Nachhinein immer leichter zu entscheiden.'
,Aber viele Juden sind doch weggegangen. Warum Sie nicht?'
Er sah mich zornig an:
,Vielleicht aus demselben Grund, warum du so eine Frage stellst', sagte er.
,Und das wäre?'
,Ich war zu unsensibel.'"

Auch nach dem Ende des Unterrichts bleibt Paul Crabbe mit seinem verehrten Lehrer im Kontakt. Er durchlebt ein musikalisches Intermezzo mit einer Rockband, das scheitert, und geht dann nach Europa, wo er sich von Konzert zu Wettbewerb hangelt und mit Unterricht seinen Lebensunterhalt verdient. Und in seiner freien Zeit bleibt er auf den Spuren des Lebens und Werks Eduard Kellers.

Er findet das Geheimnis jenes Mannes heraus, der kein Jude war, aus einem Akt der Selbstbestrafung 1942 nach der Deportation seiner geliebten Frau Mathilde sich als Jude registrieren ließ, nach Auschwitz gebracht wurde, dort auf wundersame Weise überlebte und nach dem Krieg bis an das Ende der Welt flüchtete, wo er zu vergessen suchte -vergeblich.
Paul Crabbe ist es geschenkt, die letzte Lebenswoche Eduard Kellers - er ist mittlerweile jenseits der neunzig - mit ihm zu teilen, ein unvergessliches Erlebnis, das ihn sein Leben lang begleiten wird.

"Maestro" ist ein sensibles Buch über Musik, über das Schicksal jüdischer Musiker in Wien vor und während des Krieges. Es ist ein außergewöhnlicher Roman eines bisher in Deutschland unbekannten australischen Schriftstellers, dem es auf eine bewegende und sehr poetische Weise gelingt, einen tragischen Teil der Geschichte der Alten Welt mit der Geschichte der Neuen Welt zu verbinden.

Ich weiße in diesem Zusammenhang auf zwei weitere Romane von Goldsworthy hin, die danach erschienen sind: „Nacht für drei Hunde“ und Ernster als Liebe“.

Peter Goldsworthy, Maestro, Deuticke 2007 ISBN 978-3-552-06047-0

[*] Diese Rezension schrieb: Winfried Stanzick (2013-05-08)

Hinweis: Diese Rezension spiegelt die Meinung ihres Verfassers wider und muss nicht zwingend mit der Meinung von versalia.de übereinstimmen.


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