„Das Grand Etablissement Gschwandner“ im Wiener Hernals, das von den beiden Adeles geführt wurde, gibt es eigentlich schon seit mehr 170 Jahren. Damals war es ein Vergnügungszentrum der ganz besonderen Art: gegründet als „Heuriger“ war es bald Schauplatz von Boxkämpfen, Filmvorführungen, Fiakerbällen und Gartenschauen. Als es noch keine Fernsehgeräte gab, kam hier das einfache Volk zusammen, um in einer der größten Trinkhallen der Monarchie gemeinsam zu feiern. Von den ersten Jahren bis ca 1960 haben wohl ca 25 Millionen das Gschwandner besucht und man möchte nach dem Studium dieser wunderschönen Publikation des Metroverlages dem neu (2012!) eröffneten Gschwandner noch viele weitere Millionen Gäste wünschen. Denn im Gschwandner lässt sich nicht nur die grandiose Vergangenheit, sondern die ebenso spektakuläre Gegenwart feiern.
Das verschwundene Juwel wird wieder entdeckt
Die „Wiener Specialität“ auf der Hernalser Hauptstraße wurde über vier Generationen hinweg als Familienbetrieb geführt, zeitweise sogar als „Varieté“. Solange „ein guter Tropfen“ auf der Alsegger Rieden gedeihe, werde man vom Gschwandner reden, so Georg Gschwandner 1901. Heute gehört der Wein aus „Alseck“ zwar zum Weingut Mayer am Pfarrplatz, aber vom Gschwandner hört man in letzter Zeit immer wieder öfter sprechen. Man wundert sich vielmehr, wieso eine solche Goldgrube überhaupt für mehr als ein halbes Jahrhundert geschlossen werden konnte. Sowas gibt es eben nur in Wien, denn hier steht nicht der Profit im Zentrum des Handelns, sondern das Profil. Als der letzte Gschwandner 1947 starb, erfolgte die baldige Vermietung und der Umbau der beiden großen Säle (!) zu einer Radiofabrik. Danach – ab 1980 - mietete die Filmausstattungsfirma Schmiedl das Areal bis 2010. Und dann kam 2012 die Wiedergeburt.
Drei Revolutionen und das Vergnügen
Das Buch lässt das einstige Phänomen des Grand Etablissements Revue passieren, bevor das Gschwandner endlich wieder eröffnet wurde. So zeigt Wolfgang Thaler in seinem Beitrag im Buch nicht nur Fotos der Momentaufnahmen vor der Revitalisierung in einem beachtenswerten Fotoessay, sondern es beschäftigt sich etwa auch Siegfried Mattl mit der „Kunst der Erneuerung“, die er am Beispiel Ottakrings, des Nachbarbezirks von Hernals, vorexerziert und anschaulich macht. Elke Krasny wiederum schreibt in ihren Ausführungen über „Das Recht auf Vergnügen und die Pflicht zur Unterhaltung. Zur Ideengeschichte von Urbanismus und Urbanität“. „Drei Revolutionen“ nennt sie die Epoche, in der politisch, industriell und philosophisch alles erneuert worden sei. Sie sich vor allem auch der Frage nach der Lage der arbeitenden Klassen in Wien „Die Akzelaration der Dynamiken, die drei großen Revolutionen, mussten ertragbar gemacht werden. Dabei spielte das Vergnügen eine nicht zu unterschätzende Rolle.“, schreibt Krasny.
Wiener Original
Astrid Göttche zeigt in einem Veranstaltungspotpourri was das Gschwandner alles zu bieten hatte und erzählt in einem zweiten Beitrag die Familiengeschichte der Gschwandners. Über die Vergnügungskultur im Wien des 19. Jahrhunderts weiß Barbara Mahlknecht zu berichten, dass die „dunkle Semantik des Begriffs Etablissement“ nicht unbedingt von Nachteil sein musste. Ein Bordell war das Gschwandner freilich nie, vielmehr übernahm es eher die Rolle eines Strizzi, einem anderen Wiener Original. Werner Michael Schwarz widmet sich genau diesem Mythos des „Urwieners“ und seinen diversen Inkarnationen und Reinkarnationen. Hernals war in den letzten Jahrzehnten des 19. Jahrhunderts auch Schauplatz sozialer Kämpfe, wie etwa als die Fiaker, die auch heute noch in Hernals zuhause sind, in einen ausgedehnten Streik für den 12-Stunden Tag traten.
Eines der lebendigsten Wiener Vergnügungsetablissements in der Geschichte der Wiener Vorstädte wird wieder neu belebt und den Wienern und ausländischen Gästen erneut zugänglich gemacht. Die Publikation des Metroverlages hat 160 Seiten, ist im Großformat (23 x 30 cm) durchgehend vierfarbig illustriert und gebunden mit Schutzumschlag und Lesebändchen im gutsortierten Fachhandel erhältlich und wer es einmal selbst sehen möchte, dem sei die Homepage des Gschwandner empfohlen, um sich einen Überblick über das heutige Veranstaltungspotpourri zu machen: http://www.gschwandner.at/
Erich Bernard/Astrid Göttche
Das Gschwandner
Ein legendäres Wiener Etablissement
ISBN: 978-3-99300-081-3
[*] Diese Rezension schrieb: Jürgen WEber (2012-08-04)
Hinweis: Diese Rezension spiegelt die Meinung ihres Verfassers wider und muss nicht zwingend mit der Meinung von versalia.de übereinstimmen.