„Ich heiße Ferdinand“, ruft Pierrot Le Fou (Jean-Paul Belmondo) seiner Partnerin in crime, Marianne Renoir (Anna Karina), zu. „Elf Uhr Nachts“ wie der Film im deutschen heißt war von Godard als „Pierrot le fou“ unter Berufung auf die Gangsterballade „Obsession“ von Lionel White gedreht worden. Anna zieht Ferdinand nicht nur mit dem Clownnamen „Pierrot“ auf, sondern hält ihn tatsächlich auch zum Narren. „Fou“ bedeutet so viel wie verrückt oder närrisch und Ferdinand Griffon wird angesichts des Ennui seiner bürgerlichen Existenz zu einer Art Clyde, Marianne seine Bonnie. Gemeinsam brechen sie aus ihrem Alltag aus, in dem Leute auf einer Party nur mehr Werbesprüche aufsagen, statt sich miteinander zu unterhalten. Der amerikanische Regisseur Samuel Fuller ist der einzige, der etwas Sinnvolles von sich gibt: „movies are a battlefield“.
Gangsterballade à la Godard
Nach der herkömmlichen Konsumkritik, die man von Godard ja kennt, folgt auch eine an der Konsumgesellschaft. Denn bald schon türmen sich Autowracks und schön drapierte Leichen am Straßenrand, sowie eine Menge Handfeuerwaffen. Zwei Jahre vor seinem damals wohl erfolgreichsten Film „Weekend“ zeigt Godard auch in „Pierrot le fou“ die ganze Bandbreite seines Schaffens. Da liegen Maschinengewehre und Pistolen sowie eine Leiche in Pierrot’s Wohnung, Anna Karina, die in der Realität ja von 1961 bis 1965 die Ehefrau von Godard war, singt und Pierrot zitiert Textstellen aus der Welt der Literatur. So liest er etwa die Lebensgeschichte von Velazquez „Le meilleur du monde“, während er mit Tschick in der Badewanne liegt und pafft. In der Einöde mit Strommasten türmen sich munter Autowracks und Leichen, wenn Ferdinand und Marianne schließlich ihrer öden Existenz entfliehen.
1965: Mein Jahr, meine Musik
„Ich habe das Gefühl mehrere zu sein“, heißt die Losung des Konsumzeitalters. Absurde Dialoge wie der über seine „Einheit“ machen bald Schule: man sollte eine Einheit sein wie Augen, Ohren und Mund. Rimbaud vermutete im 19. Jahrhundert noch „ein anderer“ zu sein, aber ob des kapitalistischen Überangebotes wird bald jeder überfordert. “Tanken sie mir doch mal einen Tiger in den Tank“ , ruft Pierrot auf der Flucht einem Tankwart zu. Er zählt tatsächlich bis 137, da er glaubt, Marianne würde zurückkehren. Doch sie hat längst einen anderen und interessierte sich eigentlich nur für das Geld. Oder war es doch nur Zeitvertreib? In den EXTRAS zu vorliegender DVD gibt es eine Einführung zum Film von Filmwissenschaftler Colin MacCabe, einen Audiokommentar von Schriftsteller Jean-Bernard Pouy u.v.m. Nicht zu vergessen auf die Musik des Jahres 1965, die sich auf einer CD im Digipack dieser neuen DVD-Reihe von Universal/Studiocanal befindet.
MEIN JAHR - DER FILM & DIE MUSIK DES JAHRES (1950 - 2000) ist eine DVD/CD-Reihe, die als Einzeltitel oder in einer Box erhältlich ist. Präsentiert von TV SPIELFILM veröffentlicht STUDIOCANAL in Zusammenarbeit mit UNIVERSAL MUSIC diese DVD/CD-Reihe mit Highlights aus fünf Jahrzehnten Film- und Musikgeschichte der Jahre 1950-2000. DER FILM DES JAHRES 1965: ELF UHR NACHTS
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Jean-Luc Godard
MEIN JAHR 1965 / ELF UHR NACHTS + DIE MUSIK DES JAHRES (DVD & CD)
DVD Digipak 2er
Originaltitel: Pierrot le Fou (Krimi, F / I 1965), ca. 105 Minuten
FSK 16
Mit Jean-Paul Belmondo ("Außer Atem", "Eine Frau ist eine Frau"), Anna Karina ("Eine Frau ist eine Frau", "Die Geschichte der Nana S.")
Sprachen/Ton: Deutsch, Französisch (Mono Dolby Digital)
Untertitel: Deutsch, Englisch
EAN 4006680090535
Studiocanal
[*] Diese Rezension schrieb: Jürgen Weber (2018-12-17)
Hinweis: Diese Rezension spiegelt die Meinung ihres Verfassers wider und muss nicht zwingend mit der Meinung von versalia.de übereinstimmen.