Taylor Swift ist unbestreitbar ein Phänomen mit dem man sich selbst dann beschäftigen muss, wenn man ihre Musik vielleicht nicht so mag. Eine Möglichkeit der Faszination anderer auf den Grund zu gehen, ist es, ein Buch darüber zu lesen. 100 Seiten liefert die basic Informationen, um zumindest mitreden zu können. Denn an Taylor Swift kommt nicht einmal der neue US-Präsident vorbei. Egal welcher es dann wirklich wird.
Taylor Swift: Taylor's Version
Sie scheint die ideale Projektionsfläche zu sein: weiß, blauäugig, 180 groß und zweifellos nicht unhübsch. Vor allem aber sehr intelligent und eine gerissene Geschäftsfrau. Als ihr "Entdecker" Scott Borchetta 2004 die Rechte an den Originalaufnehmen ihrer ersten sechs Alben kurzerhand ausgerechnet an Scooter Brown (Kanye West Lager) verscherbelte kochte Taylor erstmal. Doch dann fand sie eine geniale Lücke: da ihr zwar nicht die Rechte an den Masterbändern, wohl aber an den Kompositionen der Songs immer noch gehörten, veröffentlichte sie einfach alle ihre ersten sechs Alben nochmals: Taylor's Versions heißen diese Versionen seither. Zwar ziehen diese Alben auch die Erstversionen in den Verkäufen mit nach oben, aber dennoch gelang es Taylor, Borchetta nochmals eins auszuwischen. Das nennt sich künstlerische Selbstermächtigung bzw souveräner Boss, schreibt der Autor Glasenapp anerkennend. Und noch etwas verdient es, den Hut vor Taylor zu ziehen. Die schon Jahrzehnte andauernden Querelen mit Kanye West und Kardashian, die behauptete eine Tonbandaufzeichnung von einem Telefongespräch der beiden zu besitzen, in dem Taylor ihre Zustimmung zu einem sexistsichen Sager Kanyes gegeben habe, stellte sich als glatte Lüge heraus. Das Bewundernswerte daran, war aber, dass sich Taylor einfach aus der Diskussion (ca. 2017) zurückhielt und erst 2020 die Bombe platzen ließ. Sie selbst hatte tatsächlich einen Mitschnitt aus dem klar hervorging, dass sie ihre Zustimmung nicht gegeben hatte. Hut ab!
Taylor Swift: Queerbaiting?
So zumindest schildert es Jörg Glasenapp, der vom The Cure-Fan (Lieblingsalbum: Seventeen Seconds) ebenfalls zum Swiftie mutierte, obwohl er doch schon ein älterer Jahrgang (1970) ist und die 1989 in West Reading, Pennsylvania, geborene Taylor Swift um fast zwei Jahrzehnte abstaubt. Im ersten Teil seiner 100 Seiten Biografie erklärt er nicht nur alles Wissenswerte zu den ersten zehn Alben der Popröhre, sondern auch was die Swifties - ihre Fans - ausmacht und von anderen Fangruppen unterscheidet oder lässt auch Kritiker zu Wort kommen:"Swift sollte ihre widerwärtige Nazi-Barbie-Masche sein lassen, bei der sie Freunde und Celebrities als Requisiten für ihre Auftritte benutzt", ließ die feministische Kulturwissenschaftlerin Camille Paglia einst verlauten. Dass Taylor Swifts ganze Masche ziemlich auf das Klischee einer weißen Barbiepuppe abzielt mag vielleicht ihren Ursprung auch darin haben, dass sie dem äußerst konservativen Country Genre entstammt. Aber als tüchtige Geschäftsfrau muss sie natürlich ständig neuer Hörer:innengruppen ansprechen, um noch mehr Profit zu machen. So holt sie etwa auch die Queer-Community in ihrem Video "You need to come down", das laut einer Analyse eine Art Geheimcode für Insider der LGBTQ beinhaltete, der so gut versteckt ist, dass er keinesfalls den konservativen mainstream ihrer Fans verschrecken könnte, aber eben dennoch die Queers in ihr Boot holt. Im Amerikanischen gibt es dafür den Ausdruck "Queerbaiting", ein marketing tool wie so viele andere.
Bei einem Taylor Swift gäbe es laut dem Autor jedenfalls immer zwei Attraktionen zu bewundern: Swift und die Swifties. Das dabei angestammte Stätten männlicher Aggression (Football- und Fußballstadien) in Refugien weiblichen Östrogens statt Testosteron verwandelt werden, kann eigentlich nur begrüßt werden. Schließlich braucht diese Welt derzeit nichts mehr als weiblichen Frohsinn und gute Laune. Oder ist das schon wieder so ein unbewusstes Sender-Stereotyp? Demnächst auch in Ihrem Stadion: Taylor Swift in Europa. a href="https://www.taylorswift.com/tour/" target="_blank" rel="nofollow"Tickets/abereits all Sold out!
Glasenapp, Jörn
Taylor Swift. 100 Seiten
2024, broschiert. Format 11,4 × 17 cm, 100 S. · 25 Abb. und Infografiken
ISBN: 978-3-15-020709-3
Reclam Verlag
12,00 €
[*] Diese Rezension schrieb: Jürgen Weber (2024-02-20)
Hinweis: Diese Rezension spiegelt die Meinung ihres Verfassers wider und muss nicht zwingend mit der Meinung von versalia.de übereinstimmen.