Das vorliegende kleine Buch des Kunstgeschichtlers Thomas Girst, der persönlich und beruflich schon viel in der Welt herumgekommen ist, ist eine kleine Wissenschaftsgeschichte der besonderen Art.
In einer Welt, die jedes Jahr schneller zu werden scheint, bei einem Lebenstempo, bei dem immer mehr Menschen nicht mehr mitkommen und krank werden, in solch einer Welt, so sein Credo, müssen wir lernen, uns bei allem, was wir tun, insbesondere bei dem, was wir selbst bestimmen können, mehr Zeit zu nehmen.
In insgesamt 28 kleinen und sehr unterhaltsamen Geschichten erzählt er von Menschen und Projekten, von Künstlern und Wissenschaftlern, die sich oft notgedrungen, oft aber auch absichtlich viel Zeit nahmen, für das was sie geschaffen haben.
Sie alle hatten bei ihrem Tun einen langen Atem und haben Wunderbares geschaffen. Obwohl und gerade weil solche Langsamkeit, eine solche fast meditative Haltung bei unserem Tun überhaupt nicht mehr in unsere schnelle und hektische Zeit zu passen scheint, sind das so etwas wie Gegengeschichten. Denn alles muss schnell gehen, wenn der Erfolg sich nicht sofort einstellt, kriecht die Resignation schnell hoch und das nächste Schnelllebige wird begonnen und genauso schnell wieder weggelegt.
Doch wie die Geschichten zeigen, sind dem, der einen langen Atem hat, nicht selten große Dinge möglich. Diese Haltung passt gar nicht mehr in unsere Zeit, und doch ist sie zentral, wenn wir unsere Seele nicht verlieren wollen. Im hessischen Vogelsberg gibt es eine Redewendung eines Bauers, der zu seinem Sohn sagt: „Bub, mach langsam, wir haben wenig Zeit.“
Thomas Girst, Alle Zeit der Welt, Hanser Verlag 2019, ISBN 978-3-446-26187-7
[*] Diese Rezension schrieb: Winfried Stanzick (2019-04-23)
Hinweis: Diese Rezension spiegelt die Meinung ihres Verfassers wider und muss nicht zwingend mit der Meinung von versalia.de übereinstimmen.