„Wir fanden das Land sehr bevölkert. Die Menschen, geschmückt mit Vogelfedern von verschiedenen Farben, kamen uns freudig entgegen, äußerten laut ihre Bewunderung und zeigten uns, wo das Schiff sicher liegen könne.“ Was Giovanni da Verrazzano vor knapp 500 Jahren in sein Tagebuch schrieb, könnte durchaus auch ein Empfang auf Ellis Island sein, selbst die Indianerfedern scheinen gar nicht so abwegig, am Beginn des 21. Jahrhunderts. Der Name „Manna-hata“, wie die damaligen Einwohner NYC nannten, bedeutet „Insel der Hügel“, von denen heute eigentlich gar keine mehr zu sehen sind, dafür aber „Bergketten“ von Hochhäussern und Wolkenkratzern. Der GEO-Chefredakteur nennt diese gar „Vegetationsnetze des Urwaldes“: „Es sah aus als strebten die Monstren aus Stahl, Beton und Glas zum Licht, als brauchten sie zum Überleben noch ein bisschen mehr Wachstum als ihre Nachbarn, während sie doch in Wirklichkeit zum Profit strebten, der hier, auf einem Areal fantastischer Grundstückspreise, nur durch schiere Bauhöhe zu erzielen war.“ Welcome to the Jungle, in jedem Fall!
Dabei sah die Zukunft des „Islands“ noch im 17. Jahrhundert gar nicht so rosig aus. Erst der einbeinige (!) Peter Stuyvesant rettete die damals niederländische Handelsniederlassung vor dem Untergang: mit Pelzen von wilden Tieren begann der Wirtschaftsaufschwung, der New York bald zum Epizentrum des Welthandels machen sollte. Damals jedoch maß „Nieuw Amsterdam“, dessen Generaldirektor Stuyvesant war, gerade mal einen halben Kilometer in Länge und Breite. Nur 1500 Menschen lebten hier und dennoch wurden schon mehr als ein Dutzend Sprachen gesprochen. Die Stadt war übrigens keine staatliche Kolonie, sondern Besitz der Westindien-Kompanie, einer Aktiengesellschaft. Stuyvesant musste 1664 schließlich den Briten weichen und sie gaben der Stadt den Namen des Bruders des englischen Königs: New York.
Bald, weniger als 100 Jahre später, wird jedoch auch diese Gefolgschaft brüchig. GEO-Epoche erzählt die Geschichte New Yorks in Artikeln und dokumentarischen Bildern und Illustrationen, die einem die damalige Welt lebendig erscheinen lässt. Die Rebellion der „Boston Tea Party“ erscheint vor dem geistigen Auge und auch die Indianerfedern spielen hier wieder eine Rolle: aber beim amerikanischen Unabhängigkeitskrieg ist New York ebenso bedeutend wie Boston, bis zum Bau einer neuen Kapitale, das spätere Washington, ist nämlich NYC die Hauptstadt der neu gegründeten Vereinigten Staaten von Amerika und später immerhin noch die Hauptstadt der Welt.
Ein weiterer Artikel informiert über den charakteristischen Grundriss der Stadt, „the grid“ und warum DeWitt Clinton, der damalige Bürgermeister, sich so eifrig daran machte, NYC zur mächtigsten Metropole der USA auszubauen. Gottseidank gelang Reformern jedoch eine Revision seines ursprünglichen Planes und so wurde einer der größten Parks inmitten einer Großstadt geschaffen: der Central Park. Aber auch die dunklen Kapitel von New Yorks Geschichte erhalten ihre Aufmerksamkeit in dieser Ausgabe von GEO-Epoche. Mit „Früchte des Zorns“ (O-Ton John Steinbeck) ist der Artikel zu Bandenkriegen und Rassenhass übertitelt, der mit „Gangs of New York“ von Martin Scorsese unlängst (2002) einige Aufmerksamkeit erlangte. Tatsächlich scheint sich der Film kaum bis wenig von der damaligen Realität zu unterscheiden, wenn man den Beitrag von Johannes Strempel in GEO-Epoche genauer studiert. Nicht nur Rivalitäten zwischen den einzelnen Nationen und Religionsgruppen (etwa katholischen Iren und protestantischen Engländern), sondern auch „Draft Riots“ erschüttern die Metropole im 19. Jahrhundert. Die allgemeine Wehrpflicht wird abgelehnt und es kommt zu gewalttätigen Aufständen, durchaus eine Revolte mit einem Ziel also, und nicht nur bloßes Abstechen, weil es Spaß macht, wie Scorsese es beliebte darzustellen. Fotodokumente von Jacob Riis illustrieren dieses düsterste Kapitel von NYC, „Five Points“, das berüchtigste Viertel wurde in den 1890ern abgerissen, heute befindet sich dort Chinatown und nichts erinnert mehr an die damaligen Randale. Außer natürlich Scorsese. Die Brooklyn-Bridge, die im Film auch vorkommt, wurde 1883 übrigens wirklich noch als „Achtes Weltwunder“ gefeiert. Wenn es die Brücke nicht ist, dann sicherlich die Stadt insgesamt: das erste Weltwunder der modernen Welt.
Weitere Stories finden Sie zur Wall Street, der Jazz-Ära, Reichtum und Armut, kurz: wer sich hier nicht zu Hause fühlt ist entweder kein Mensch oder hat die Zeichen der Zeit nicht richtig erkannt. Statt Kennedys „Ich bin ein Berliner“ müsste eigentlich jeder halbwegs aufgeklärte Mensch des 21. Jahrhunderts „Ich bin ein New Yorker“ intonieren, denn wie keine andere Stadt, hat genau diese Stadt alles das, was das Leben ausmacht: Kultur, Multikulturalität und viele wunderschöne Köpfe mit Vogelfedern drauf...