Lisa Genova hat als promovierte Neurologin und Psychologin ihre bisherigen Romane immer mit neurologischen Themen bestückt und so den Lesern die unterschiedlichsten Krankheitsschicksale nahe gebracht. In ihrem ersten Buch „Still Alice – mein Leben ohne gestern“, das weltweit erfolgreich war, spielte Alzheimer die Hauptrolle. Der zweite Roman „Mehr als nur ein halbes Leben“ befasste sich mit dem Neglect und das dritte mit dem Autismus.
Auch in ihrem neuen hier vorliegenden vierten Roman geht es um ein medizinisches Thema. Es handelt von einer Familie, die von Chorea Huntington betroffen ist. Die Hauptperson des Buches heißt Joe O`Brien, ist 44 Jahre alt und von Beruf Polizist. Er führt ein zufriedenes und bescheidenes Leben mit seiner geliebten Frau und seinen vier Kindern. Eines Tages bekommt er mit, dass seine Kollegen hinter seinem Rücken über ein angebliches Suchtproblem tuscheln, das er offensichtlich habe. Auch seiner Frau sind Veränderungen im Verhalten von Joe nicht verborgen geblieben. Nach einen Arztbesuch, zu dem sie ihn überredet, bricht seine Welt zusammen: die Diagnose lautet Chorea Huntington, eine Generkrankung, unheilbar und tödlich.
Intensiv beschreibt Lisa Genova die Reaktion von Joe auf diese Diagnose, die Phasen der inneren Auseinandersetzung damit, bis er endlich lernt, das Unabänderliche zu akzeptieren. Was ihm aber kaum gelingt ist die Angst zu zähmen davor, dass er womöglich mit seinen Genen die Krankheit an seine Kinder weiter gegeben hat. Als dann schließlich herauskommt, dass bei zwei seiner Kinder, die sich dann doch alle haben untersuchen lassen, die Diagnose positiv ist, ist Joe extrem niedergeschlagen. Doch einer seiner Söhne wird selber Vater, obwohl er mit 50% Wahrscheinlichkeit die Krankheit an sein Kind weitergibt.
Wie kann eine Familie mit solch einer Krankheit leben? Lisa Genova schafft es nicht nur, auf verständliche Weise den Leser über Chorea Huntington zu informieren, sondern verschafft ihm auch einen tiefen Einblick in die Seelenwelt der Familie O`Brien. So kann er nachvollziehen, was das Leben mit dieser Diagnose bedeutet. Ein täglicher Kampf, der nie enden will, heftige Schuldgefühle, tiefe Angst seine Familie nicht richtig versorgt zu wissen. So erlebt Joe all das. Aber auch die Kinder leiden, fragen sich ob sie ein eigenes Leben leben dürfen. Und immer wieder die Frage: will ich die Wahrheit wissen? Lasse ich mich untersuchen?
Ein bewegender Roman nicht nur über eine Krankheit, sondern auch über die unendliche Kraft einer Familie mit ihr umzugehen und zu leben.
Lisa Genova, Ein guter Tag zum Leben, Lübbe 2016, ISBN 978-3-7857-2547-4
[*] Diese Rezension schrieb: Winfried Stanzick (2016-03-30)
Hinweis: Diese Rezension spiegelt die Meinung ihres Verfassers wider und muss nicht zwingend mit der Meinung von versalia.de übereinstimmen.