“Genova, dicevo, è un`idea come un`altra”, interpretiert Bruno Lauzi, der in Eritrea geborene Lockenkopf, auf einer der beigelegten CDs das bekannte Lied von Dr. jur. Paolo Conte, der, wenn auch im piemontesischen Asti geboren, doch 2005 zum Ehrenbürger von Genova ernannt wurde. Aber jeder, der Genua kennt, weiß, dass es sich um eine ganz besondere Stadt handelt, wovon man sich natürlich auch durch 100 Fotos in vorliegender Publikation überzeugen kann. Und natürlich weiß es auch Paolo Conte, was an Genua ganz besonders zu schätzen ist, wenn er schreibt: „Con quella faccia un po cosi, quell`espressione un po cosi che abbiamo noi prima andare a Genova che ben sicuri mai non siamo che quel posto dove andiamo che ben sicuri mai non siamo non cinghiotte e non torniamo pi.” Wenn man einmal dort ist, würde man am liebsten dort bleiben, so könnte man diese Zeilen zusammenfassen, auch und obwohl man eigentlich selbst dieses Gesicht zieht, diesen bestimmten Ausdruck im Gesicht hat, ganz so wie die Genuesen. Interpretationsspielraum ist hier allemal gegeben. “Genova per noi, che stiamo in fondo alla campagna, e abbiamo il sole in piazza rare volte, e il resto pioggia che ci bagna. Genova, dicevo, un idea come un'altra. Ah la la la la…”.
Auch Luigi Tenco, der 1938 in Cassine geboren wurde und mit seiner Familie 1948 erst nach Nervi, dann nach Genua zog, wuchs ohne Vater auf, hatte aber eine Mutter, die in Genua eine Weinhandlung eröffnet hatte. Er arbeitete auch mit Bruno Lauzi, der später selbst zum Sänger mutierte (siehe oben). Tenco berührt einen ganz bestimmten italienischen Wesenszug in „Vedrai Vedrai“: Du wirst sehen, eines Tages, wird sich alles ändern, ich weiß zwar nicht wann genau, frage mich nicht, aber eines schönen Tages wird alles anders, du wirst es schon sehen. „Preferirei sapere che piangi/che mi rimproveri di averti delusa/e non vederti sempre così dolce/accettare da me tutto quello che viene/mi fa disperare il pensiero di te/e di me che non so darti di più/vedrai, vedrai/vedrai che cambierà.“ Der Protagonist würde es sogar bevorzugen, seine Frau weinen zu sehen, statt dass sie immer alles akzeptiert, was von ihm kommt, allein der Gedanke an sie lässt ihn verzweifeln, aber er kann ihr einfach nicht mehr von sich geben, als er es bereits tut, er tut schon alles, dass es ihnen bald besser gehen wird, bald, „du wirst schon sehen“, vedrai, vedrai. Wohl eines der traurigsten Lieder, aber wie kein anderes bringt es die ganze Verzweiflung eines arbeitenden Familienvaters auf den Punkt, der viel arbeitet, aber trotzdem nichts verdient, der möchte, dass es seine Frau besser hat, aber es einfach nicht schafft. Doch die Hoffnung auf eine Veränderung bleibt ihm noch, dass ich eines schönen Tages vielleicht doch noch alles zum Guten wendet.
Etwas lustiger geht es da bei I Trilli auf CD 2 „Canzoni in Lingua Genovese“. Ihr gleichnamiger Hit „Trilli Trilli“ handelt von einem Ehemann, der seine Frau ermahnt, ihm doch den Wein und Stockfisch und nicht eine Suppe aufzutischen: „T' ho dïto che t'a prepari/o stocchefisce e bacilli a gongorzola co-i grilli/e ûn bottigion de vin bon“, das Ganze in Starkem Genovese natürlich, das sich geschrieben noch mehr vom Italienischen unterscheidet als gesungen, denn dann sind eh alle betrunken und verstehen sich ausgezeichnet. Der Refrain des Liedes, nach der Melodie eines Trinkliedes oder einer Tarantella, den wissen ohnehin alle mitzugröhlen: „E siamo di Genova, e siamo della foce,/ se ci girano le palle e non prendiamo più moglie, finché al mondo ci sarà la moglie del mio vicino/ non prendiamo più moglie per un bel belino,/per un bello violino!!!” Sinngemäß übersetzt bedeutete dies wohl: Wir sind in Genua und so lange der Nachbar noch eine schöne Frau hat, brauchen wir keine weiteren Frauen mehr hier in Genua, vor allem nicht solche, die einem eine Suppe statt Stocchefisce vorsetzen! Natürlich ist das alles humorvoll zu sehen, das hat Volksmusik wohl so an sich, dass sie etwas frauenfeindlich ist, nicht nur in deutschen Landen.
Wer es dann lieber etwas progressiver hat, wechsle einfach zu CD 3, „Prog Rock & Soft“. Die italienische Band „The New Trolls“ gibt darauf ihr „Concerto Grosso“ zum besten, das als eine Fusion aus Klassik und Rock bezeichnet werden könnte, die sie in den Siebzigern immerhin als Vorband auf der italienischen Tour von den Rolling Stones spielen hat lassen. Es gibt sowohl Gitarren („Shadows“ per Jimi Hendrix), als auch Orgelsolos, wie es in Siebzigern halt so üblich war. Auf der vierten CD gibt es dann wirkliche Klassik zu hören, Niccoló Paganini (* 27. Oktober 1782 in Genua; † 27. Mai 1840 in Nizza) wird mit dem Concerto in Re diesis und den Sonaten für Eleonora und MS 5626 interpretiert. Aber natürlich sollte ich noch einmal die vielen verschiedenen Interpreten der ersten beiden CDs erwähnen. DA findet sich neben Fabrizio de Andre auch Ricchi & Poveri mit „che sara, che sara2, Jimmy Fontana mit „sapore di sale“, Anonella Ruggero, Natalino Otto, Rino Joe Sentierie u.v.a.m. . Ein wahres musikalisches Potpourri also, das die Fotografien Genuas von Giovanna Corradi & Alberta Gavarone würdevoll begleitet.
„Sono difesa da uomini valorosi,/circondata da mura mirabili/e col mio corraggio/respingo lontano gli attacchi nemici./Se porti la pace puoi toccare queste porte/se vuoi la guerra tornerai triste e vinto./Ostro e ponente,/settentrione e levante/sanno quante vicende di guerra,/io, Genova, ho superato.” Diese Inschrift findet sich auf einem alten Stadttor und soll als Warnung gelten für alle, die im Kriege kommen, denn sowohl im Süden wie im Norden wie im Western und Osten wissen alle, in wie vielen Schlachten Genua siegreich war. Die fotografische Hommage an die Seerepublik führt den Betrachter in Hinterhöfe, steile Gassen, das Hafenviertel und zu den großen Plätzen und Kirchen Genuas. Darunter sticht besonders der Dom San Lorenzo mit seinen Inchrusti und den auf den Stiegengeländern thronenden riesigen Löwen hervor, als auch der Strand von Camogli. Genua ist nämlich nicht nur Stadt, sondern auch sehr viel Meer, Wind (Macaia) und allerhand jahrtausendealte Kultur, wovon auch der Palazzo Ducale zeugt. „Genova ha i giorni tutti uguali.
In un immobile campagna/con la pioggia che ci bagna/e i gamberoni rossi sono un sogno/e il sole un lampo giallo al parabrise./Con quella faccia un po cosi/quell`espressione un po cosi/che abbiamo noi che abbiamo visto Genova.” Mit diesem Gesicht ein bißchen “so”, mit diesem Gesichtsausdruck ein bißchen mehr noch, haben wir Genua, ja, haben wir Genua gesehen und sind ein Teil davon geworden…
Genova – La città e la musica
Fotografien von Giovanna Corradi & Alberta Gavarone
2002
120 Seiten, 100 Fotos, 4 Music CDs
ISBN: 97839940004307
[*] Diese Rezension schrieb: Jürgen Weber (2010-09-04)
Hinweis: Diese Rezension spiegelt die Meinung ihres Verfassers wider und muss nicht zwingend mit der Meinung von versalia.de übereinstimmen.