Immer wieder hat die französische Schriftstellerin Anna Gavalda sich in ihren Romanen seit 2003, die sie bis heute zu einer der erfolgreichsten Autorinnen Frankreichs gemacht haben, beschäftigt mit Menschen, die vom Schicksal hart gebeutelt wurden. Denen eine miserable Kindheit die Zukunft verhagelt hat und die ihr Lebtag nicht auf einen grünen Zweig zu kommen scheinen.
Menschen, für die die Liebe ein fremder Kontinent ist, der so weit weg scheint, dass sie es nicht für möglich halten, seine Früchte jemals kosten zu können.
Immer wieder hat die Kritik gemutmaßt, vieles in ihren Romanen sei autobiographisch geprägt, doch sie hat unlängst in einem ansonsten sehr irritierenden Gespräch mit der FAZ –Journalistin Katrin Hummel dies weit von sich gewiesen. Doch, wahrscheinlich ganz gegen ihren Willen, öffnet sie sich auch kurz und lässt mehr Verwandtschaften mit ihren Figuren durchblicken, als sie selbst zugibt:
„Fragt man Gavalda nach ihrem Alltag, wehrt sie ab: Sie habe gar kein richtiges Leben, ihr Leben, das seien ihre Gedanken. Die sagten viel mehr über sie aus als ihre Größe, ihr Gewicht, ihre Lieben. Das Privatleben der meisten Schriftsteller sei ‚wie ein total flaches EKG‘, ihr eigenes auch. ‚Mein Leben ist das Leben einer alten Dame, einer Greisin. Ich bin einsam, ich lese viel, ich gucke meinen Kindern beim Aufwachsen zu und kümmere mich um meine Rosen. Es ist nicht glamourös.‘
Man hatte das auch nicht erwartet, aber sie scheint sich selbst unter einen ganz eigenen Erfolgsdruck zu setzen. Beim Schreiben ist das auch so. Sie sagt, dass sie mehr schreiben müsste, denn wenn sie nicht schreibe, fühle sie sich nackt. ‚Aber ich tue mich schwer, ich habe Angst, ich traue mich nicht. Ich fürchte, dass ich es vermassele und dass ich versage.‘ Wenn sie aber anfange zu schreiben, sei der Zweifel ganz weg. ‚Dann werde ich unbesiegbar, selbstsicher. Ich bin nicht mehr ich selbst. Nichts macht mir mehr Angst. Schreiben ist wie ein dicker Mantel, der einem auf den Schultern liegt. Die Figuren tragen dich. Wie ein Kind führen sie dich durch die Geschichten und halten dich am Leben.‘
In ihrem neuen, hier vorliegenden Buch geht es um zwei jugendliche Außenseiter, die sich lieben lernen und die ihre Freundschaft auch nach langer Trennung konservieren können.
Da ist zum einen die in einer Wohnwagensiedlung bei den Asozialen aufgewachsene Billie (ihre hilflose Mutter schwärmte für Michael Jacksons „Billie Jean“) und zum anderen der kluge und belesene Franck, dessen reaktionärer Vater für Frank Alamo sich begeisterte.
Franck ist schwul, was er allen verschweigt. Nur Billie versteht das und lernt ihn dennoch lieben. Als eine Lehrerin beiden die Hauptrolle in einem Stück von Alfred de Musset überträgt, wachsen die beiden über sich hinaus und ihre Rollen derart hinein, dass die Aufführung ein großer Erfolg wird.
Doch das Glück der beiden, die sich beide auf ihre Art befreit haben, währt nicht lange. Billie bleibt sitzen und Franck wird in ein Internat geschickt. Furchtbare Abstürze folgen und es scheint, als hätte Billie wirklich nur das Leben, in das sie hineingeboren wurde.
Doch beide haben gelernt sich wieder aufzurichten und die Hoffnung nicht aufzugeben. Und so treffen sie sich irgendwann wieder….
Ein verrückte Geschichte, die Billie ihrem Glücksstern erzählt, der einzige, der immer bei ihr bleibt.
Anna Gavalda, Nur wer fällt, lernt fliegen, Hanser 2014, ISBN 978-3-446-24595-2
[*] Diese Rezension schrieb: Winfried Stanzick (2014-08-20)
Hinweis: Diese Rezension spiegelt die Meinung ihres Verfassers wider und muss nicht zwingend mit der Meinung von versalia.de übereinstimmen.