In seinem zweiten Roman, der wie „Flut“ (2013) wieder von Nicolai von Schweder-Schreiner ins Deutsche übersetzt wurde, erzählt der brasilianische Schriftsteller Daniel Galera von einer Gruppe aus drei jungen Männern und einer Frau, die sich damals in der Frühphase des Internets in den neunziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts für etwas ganz Besonderes hielten. Sie waren so etwas wie Protagonisten einer neuen Gegenkultur in Brasilien. Eine Kultur aus Punks, Künstlern und digitalen Bohemiens. Ihr großer Anführer war Duke, ein überaus talentiertes Schriftstellertalent, in seinem unnahbaren Wesen und Charakter genial.
Nun ist Duke Opfer eines tödlichen Raubüberfalls geworden. Daniel Galera führt seine Leser in das Jahr 2014, kurz vor der Fußball WM nach Porto Alegre, wo seit langem ein Streik das gesamte Leben lahmlegt. Heftige Auseinandersetzungen und Konflikte spalten die brasilianische Gesellschaft schon seit langem. Nun aber scheint alles zu explodieren.
Sie haben sich lange nicht mehr gesehen, die ehemaligen Mitstreiter Dukes, die sich nun an seinem Grab versammeln, sich selbst und einander fremd geworden nach einem langen vergeblichen Kampf. Aurora, Antero und Emiliano blicken angesichts des Todes zurück auf ihr eigenes Leben, auf ihr gemeinsames Engagement in einer hoffnungsvollen und ambitionierten Gegenkultur.
Wie war das früher, so fragen sie sich immer wieder und was ist aus ihnen geworden? Was ist mit den Idealen, den Lebensplänen und Hoffnungen geschehen? Und vor allen Dingen kommen sie im Verlauf des Buches einer Frage immer näher, die sie quält: Wer war dieser Duke wirklich? War er wirklich ihr Freund? Oder hat er sie nicht doch bloß für seine Zwecke benutzt? Die immer verzweifeltere Suche nach einer Antwort führt die drei zu einer Hinterlassenschaft, die so berührend wie erschütternd ist.
Der in Teilen sehr bewegende, in anderen hilflos bleibende Roman Galeras ist ein Buch über Aufbrüche und Trennungen, über das Ankommen und über das Verlorensein in der Welt und der eigenen Existenz angesichts einer Gesellschaft, die vor lauter Korruptheit und zum Himmel schreiender Armut nicht reformierbar scheint.
Und es ist ein Buch mit immer wieder leisen Annäherungen an das Geheimnis menschlicher Nähe und Freundschaft.
Daniel Galera, So enden wir, Suhrkamp 2018, ISBN 978-3-518-42801-6
[*] Diese Rezension schrieb: Winfried Stanzick (2018-09-06)
Hinweis: Diese Rezension spiegelt die Meinung ihres Verfassers wider und muss nicht zwingend mit der Meinung von versalia.de übereinstimmen.