Destiny ruft in der vorliegenden Geschichte ein Familientreffen der Sieben Ewigen ein und bei dieser Gelegenheit lernt der Leser sie auch gleich etwas genauer kennen, denn wer hätte gewusst, dass Deliriums Name früher eigentlich Delight hieß und damit der Schrecken des Zustands doch wesentlich gebannt schien. Oder wir erfahren, dass Dreams Haut eine Farbe wie frischgefallener Schnee hat und er dünn sei wie ein Besenstil. Destiny erscheint am unnahbarsten und schrecklichsten und die beiden Brüder zerstreiten sich auch alsbald. Dream muss in vorliegender Geschichte seine ehemalige Freundin Nada aus der Hölle befreien und schickt als Botschafter Kain zu Luzifer, der seine Finte gleich erkennt: „Es war klug von Dream dich als Botschafter zu wählen – jeder andere Gesandte wäre mit der Leber im Mund zurückgeschickt worden“, sagt der Fürst der Finsternis versonnen zu Kain und Dream verabschiedet sich derweil von Hob, der einen Trinkspruch ausgibt: „Auf abwesende Freunde, verlorene Geliebte, alte Götter und die Zeit der Nebel!“
Die Hölle ist leer
„Die Tore zur Hölle stehen offen. Ungehindert trete ich ein“, spricht Dream dann und braucht nicht einmal anzuklopfen, denn was er vorfindet ist ein verlassener Ort: Luzifer hat gekündigt und zusammengepackt und bald soll er entscheiden, wer von all den Bewerbern den Schlüssel zur Hölle erhält. Dream sucht Rat bei seinem Raben Matthew, aber vielleicht ist die Antwort, die ein Jugendlicher dem anderen gibt viel schlüssiger: „Ich glaube, die Hölle ist etwas, das man in sich hat. Nichts, wo man hingeht.“ Der Traum-Weber ist ein guter Gastgeber und so sondiert er seine Gesprächspartner und lässt sich viel Zeit bei seiner Entscheidung, die wie alles, was er sich überlegt endgültig ist. Wird Dream es schaffen, dem Herrn der Hölle doch noch ein Schnippchen zu schlagen oder ist er verdammt, selbst der Wächter der Tore des Hades zu werden? Und wird er die Frau, die er vorgibt zu befreien, wirklich von ihrem Leid erlösen können? Zumindest hat er den ersten richtigen und wichtigen Schritt gemacht: er hat ihr verziehen.
Das Unmögliche und das Absurde
Miguel de Unamuno (1864-1936), der von Ellison im Vorwort mit folgenden Satz zitiert wird „Um das Unmögliche zu erreichen muss man das Absurde versuche“ hat wohl auch als Vorlage für Che Guevara’s Spruch gedient. Spitzenleistungen rufen in untalentierten und normalen Menschen Vergnügen und Ehrfurcht hervor, in Minderbegabten aber Hass und Neid, wie Ellison gerne in seiner Lobrede auf Gaiman’s Werk ergänzt. „Ein unwiderstehliches, in sich stimmiges Universum“ hat Neil Gaiman für die Sandman-Geschichten erschaffen: „eine durch und durch überzeugende Kosmologie mit einem Pantheon von Wesen und gottähnlichen Nichtwesen, ein nicht aristotelisches, vielschichtiges Prä-Kontinuum, einen frisch geprägten Polytheismus, der so verlockend wie revisionistisch ist“, schreibt der amerikanische Schriftsteller Harlan Ellison in der Einleitung zu vorliegendem 4. Band der Sandman-Reihe von Neil Gaiman.
Neil Gaiman
Sandman 4, 228 Seiten,
Die Zeit des Nebels / Sandman Bd. 4
Illustriert von P. Craig Russell, George J. Pratt, Deck Giordano, Matt Wagner, Malcolm Jones III
Originalfolgen: Sandman 21-31
ISBN: 978-3-86607-599-3 www.paninicomics.de
[*] Diese Rezension schrieb: Jürgen Weber (2017-01-26)
Hinweis: Diese Rezension spiegelt die Meinung ihres Verfassers wider und muss nicht zwingend mit der Meinung von versalia.de übereinstimmen.