„Klimts Frauen entzücken und verwirren, wollen gefallen und geheimnisvoll sein, wirken anregend und aufreizend, sind verlockend und verführerisch, aber auch kühl und distanziert, gefahrvoll, bedrohlich und erschreckend – und immer hinreißend schön.“, so urteilt der Autor dieser - übrigens auch reich illustrierten - Publikation aus dem Hatje und Cantz Verlag. Wer allerdings ein großes Werk über Klimt erwartet, wird etwas enttäuscht sein, denn es ist kein wie bei diesem Verlag sonst so übliches großformatiges Kunstbuch, sondern eine Taschenbuch, das vor allem der Information über einen Aspekt von Klimts Malerei dient: dem ewig Weiblichen.
Mauerfall und Fin de Siecle
Eigentlich begann die Karriere des Wiener Malers Gustav Klimt mit dem Mauerfall. 1857 wurde auf kaiserlichen Beschluss mit dem Bau der Ringstraße begonnen, nachdem die alten Befestigungsanlagen, die Mauer rund um die Stadt, niedergerissen worden waren. Ein beispielloser Bauboom setzte ein und innert weniger Jahre entstand ein Prachtboulevard an dessen Flanken zahllose Repräsentationsbauten des Kaiserreiches noch heute stehen: das Parlament, die Universität, das Rathaus, die Oper, aber auch das Burgtheater, denn das alte Hoftheater musste einem Neubau weichen, der Baustil der Gebäude repräsentiert historizistisch folgende Epochen: griechisch, Gotik (Rathaus), Renaissance (Universität). Als dann am 24. April 1879 ein Festzug über die neue Ringstraße zog, wurde nicht nur die Silberne Hochzeit von Kaiser Franz Joseph und Kaiserin Elisabeth gefeiert, sondern auch die Ringstraße selbst. 14.000 Personen in historischen Kostümen säumten den nunmehrigen Prachtboulevard oder zogen auf Festwagen vorbei. Ein Gesamtkunstwerk, das nicht nur den damals 17-jährigen Gustav faszinierte und nachhaltig beeinflussen sollte. 1888 malte Gustav Klimt das alte Burgtheater mitsamt Publikum, und mehr als 200 Persönlichkeiten der Wiener Jahrhundertwende versammelte er auf seinem Gemälde. Mit diesem Gemälde hatte er aber nicht nur das alte Burgtheater verewigt, sondern auch eine ganze Epoche: das Wiener Fin de Siecle.
Die unglaubliche Karriere eines gewissen unscheinbaren Herren K
Die Gründung der Wiener Secession 1897, fast 20 Jahre später, war wohl mit keinem anderen Namen so sehr verbunden, wie mit…Ludwig van Beethoven! Denn eigentlich sollte der Musiker, der wie kein anderer Künstler die Einheit von Leben und Kunst verkörperte, mit einer Ausstellung gefeiert werden. Klimts Beitrag war das Beethovenfries, das sich heute wieder in der Secession, dem Gebäude, befindet, nachdem es mehr als 30 Jahre nicht öffentlich zu sehen war. Erst Anfang der 80er Jahre des 20. Jahrhunderts wurde es wieder in die Kultstätte der neuen Zeit, der Moderne, zurückgebracht, wenn auch nicht an den originalen Platz: die Secession selbst war durch den Zweiten Weltkrieg völlig zerstört worden. Die Secession war aber eben nicht nur ein Gebäude, sondern eine Künstlerbewegung, die sich gegen den Historismus wandte. Der Olbrich-Bau zeigte seine 14. Ausstellung am 15. April 1902 und das Fries von Klimt bekam einen eigenen Trakt, in dem es über drei Wände lief. Das Thema war die Neune Symphonie Beethovens, heute besser als Europahymne bekannt, aber Klimt benutzte vor allem den Text Schillers als Inspiration für sein neues Gesamtkunstwerk: „Die Sehnsucht nach Glück“, „Die feindlichen Gewalten“ und „Die Ode an die Freude“. Aber es kommen auch der Gigant Typhoeus und die drei Gorgonen Krankheit, Wahnsinn und Tod vor, außerdem müssen die Schrecken Wollust Unkeuschheit und Unmäßigkeit von der Menschheit überwunden werden, ehe die Bilderzählung in „Diesen Kuss der ganzen Welt“ kulminiert. Was die wenigsten wissen: Klimt verwendete nicht nur Motive der griechischen Vasenmalerei, des ägyptischen Reliefs oder japanische Motive, sondern auch Elemente des niederländischen Symbolisten Jan Toorop. Die Reaktionen reichten bis hin zum Vorwurf der Pornographie, von „Orgien von Nacktheit“ war da die Rede und dass Klimt eines Arztes und zweier Wächter bedürfte. Heute schmückt man sich mit diesem Wahnsinnigen, damals erkannten nur wenige sein wirkliches Genie.
Die unglaubliche Karriere eines gewissen unscheinbaren Herren K
Die Frau als Femme fatale gehörte - laut Gabelmann - im Wien um 1900 sowieso zum Topos des Weiblichen und habe die Gedankenwelt der Künstler und Literaten bestimmt. Klimt habe aber die Darstellung der Frau nicht nur enttabuisiert, sondern ihr eigenes Lustempfinden in den Mittelpunkt der Darstellung gerückt. Er ging also über das Phänomen der damaligen Zeit hinaus, wenn er Frauen abbildete, die sich selbst genießen, sinnlich sind oder ihre pralle Erotik zur Entfaltung bringen, wie etwa in „Danae“. Einen weiteren Skandal verursachte Klimt mit den sog. Fakultätsbildern, die die Wissenschaften „Medizin, Philosophie, Jurisprudenz“ darstellten und für den Festsaal der Universität vorgesehen waren, Auch hier urteilten die Kritiker Klimts so scharf, dass er sogar seinen Auftrag und das bereits ausbezahlte Geld zurückgab. Seine ihm von Kritikern oft vorgeworfene „Perversion“ habe darin bestanden, so Gabelmann, die „Sexualität des Menschen als befreiende Kraft im Gegensatz zur streng objektivierten Wissenschaft darzustellen“. Pikant seien seine Frauendarstellungen wohl auch vor allem deswegen - und das erscheint nun wirklich frivol – dass Frauen der Zugang zum Studium an der Wiener Universität erst ab 1919 uneingeschränkt möglich wurde. „Je stärker die durch Staat und Religion gestützte Dominanz der Männer durch erste Emanzipationsbestrebungen infrage gestellt wird“, schreibt Gabelmann, „umso größer ist die Angst vor der `natürlichen´ Macht der Frau, ihrer Sexualität.“ So wird das Weibliche zum Verbündeten von Klimt und er geht in die Ewigkeit als Unsterblicher ein.
Andreas Gabelmann
Gustav Klimt und das ewig Weibliche
Hatje Cantz Verlag
09/2011
Einband: Kartoniert / Broschiert
Sprache: Deutsch
ISBN-13: 9783775730242
Umfang: 125 Seiten
[*] Diese Rezension schrieb: juergen weber (2011-11-24)
Hinweis: Diese Rezension spiegelt die Meinung ihres Verfassers wider und muss nicht zwingend mit der Meinung von versalia.de übereinstimmen.