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Kinky Friedman - Der Gefangene der Vandam Street
Buchinformation
Friedman, Kinky - Der Gefangene der Vandam Street bestellen
Friedman, Kinky:
Der Gefangene der Vandam
Street

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(Bücher frei Haus)

Wer noch nie etwas von jüdischem Humor gehört hat, der wird mit diesem Meisterwerk aus Kinky Friedmans Feder gleich direkt in die höheren Weihen desselben eingeweiht. Allein die Übersetzung seines Künstlervornamens „Kinky“ (eigentlich: Richard) ins Deutsche dürfte schon einige gute Hinweise auf sein Programm geben: pervers, verrückt, schrullig, abnormal, verkorkst, abnorm, verdreht, spleenig. Aber seinen Spitznamen bekam er wegen seiner krausen Haartracht, den anderen - „Big Dick“- weil er als youngster mal einen Schachmeister besiegt hatte. Kinky Friedman ist laut Selbstdefinition der einzige „jüdische Countrysänger“, aber seit 1986 Jahren schreibt er auch Kriminalromane. „Meine Figuren und Freunde wie Ratso und McGovern sind echt. Nur eine dünne Linie trennt Wirklichkeit und Fiktion. Manchmal weiß ich selbst nicht mehr, wo was aufhört oder anfängt“, gestand er der deutschen Welt einmal in einem Interview, indem auch von seiner Vorliebe für (illegale) kubanische Zigarren die Rede ist. Als ihn der ehemalige US-Präsident bei einem Dinner auf den Genuss dieser unter Importverbot stehenden Zigarren ansprach, antwortete Kinky spitz: „Ich unterstütze nicht deren Wirtschaft. Ich verbrenne die kubanischen Felder.“ Ein anderer US-Präsident soll ihm einmal geschrieben haben: „Lieber Kinky: Ich habe jetzt alle deine Bücher gelesen. Mehr bitte! Ich brauche diese Lacher einfach.“

Klaustrophober Katzenliebhaber auf Malariatrip
In der vorliegenden als Kriminalgeschichte getarnten Krankengeschichte des „Gefangenen der Vandam Street“ enttarnt sich Kinky aber weniger als Unterstützer der kubanischen Exportindustrie, sondern vielmehr als Katzenlieber, seiner wohl zweitwichtigsten Passion. Tatsächlich finden sich in dieser Geschichte alle Zutaten, die man für einen amüsanten Lesenachmittag an einem der Strände dieser Welt braucht. Man sollte sich allerdings vorher den richtigen Liegenachbarn aussuchen, denn streckenweise folgen die Lacher so dicht hintereinander, dass man durchaus Aufsehen erregen könnte und selbst zu einem öffentlichen Ärgernis werden könnte, ganz so wie der Autor selbst sozusagen. Der „Gefangene“ im Titel bezieht sich einerseits auf die Nachbarin Kinkys, die dieser - im Malariawahn - von seinem Apartmentfenster aus geschlagen zu werden zu sehen glaubt. Doch natürlich ist auch Kinky selbst ein „Gefangener“ seines eigenen Apartments, erstens weil seine Freunde ihn als vermeintliche Krankenschwestern belagern („Ich würde nicht an Malaria, sondern an Klaustrophobie sterben.“) und zweitens, weil seine New Yorker Wohnung bald zum Hauptquartier eines extra aus L.A. eingeflogenen Meisterdetektivs wird. Die Rahmenhandlung ist im Grunde aber völlig nebensächlich, denn es geht allein darum, wie und auf welche Weise diese Geschichte erzählt wird, die sich - vorhersehbar - am Ende als null und nichtig auflöst. Der Spannungsbogen wird aber dennoch so dicht gehalten, dass man das beim Lesen gar nicht merkt, denn der Leser wird mit viel Raffinesse und Genregenauigkeit auf eine falsche Spur gelockt und genießt dabei nicht nur die köstlichen Personenbeschreibungen von Kinkys Freunden, sondern auch herrliche Momente der Einsamkeit, wenn Kinky an seinem Fenster steht und über die Grausamkeit der Welt resümiert, während er seiner Katze neben sich philosophische Portionen Katzenfutter verabreicht, die diese natürlich nicht die Bohne interessieren.

The Charme of Discontent
Zudem werden einige Erörterungen über die Verteilung von Katzenhinterlassenschaften in der weiträumigen Loft sogar mehrmals gepflegt, besonders die Tatsache, dass Kinky‘s cat bevorzugt in den Rucksack eines ganz bestimmten Freundes kriecht, um dort ihre Geschäfte zu erledigen. Kinky ist übrigens selbst Privatdetektiv und würde dem Vorfall bei der Nachbarin auch gerne selbst auf den Grund gehen, wenn er nicht gerade wegen dieser vermaledeiten Malaria ans Bett gefesselt wäre. Seinen Berufsethos erklärt er übrigens mit den folgenden Worten: „In meiner Branche sucht man keinen Ärger. Der kommt von ganz allein, genau wie das Böse, die Langeweile oder Katzenscheiße“. Die Arbeit eines anderen Kollegen, eines Kollegen im wirklichen Leben, nämlich als Schriftsteller, wird mit noch mehr Raffinesse beschrieben: George Bernard Shaw, „von dem es hieß, er wäre mit so viel Einsamkeit auf die Welt gekommen, dass er Theaterkritiken schreiben konnte, ohne die Stücke je gesehen zu haben“. Gibt es eine charmantere Art sein Missfallen auszudrücken? „Du hingegen hast die unheimliche, kindliche Fähigkeit, nur das zu hören, was du hören willst, und alles andere auszublenden“. Die Verknüpfung und gedankliche Weiterentwicklung führt von einem Bonmot zum nächsten und wer den „belebten Scheideweg zwischen Wahrheit und Wermut“ nicht zu gehen wagt, Finger weg von diesem Buch!

Humor auf Abwegen
Bob Dylan hat einmal gesagt, „I am so hungry, I am farting fresh air“, bei Kinky Friedman könnte man daraus machen, „I am so funny, I can`t smell no catshit no more“, denn die findet sich tatsächlich bald überall, nicht nur in der Loft. Wer über „barfüßige“ (sic) Katzen, Malaria-Weltsichten und schwerhörige Freunde oder Nixon-Abseilen am Ende des Buches immer noch nicht lachen kann, hat den jüdischen Humor einfach nicht verstanden. Ohne mich damit brüsten zu wollen: ich habe mich selten so amüsiert! „Vielleicht waren eine Katze, die ihren Anus leckt, eine andere Katze, die einen Müllwagen durchwühlt und eine Vase mit Schnittblumen in einer ansonsten leeren Wohnung ja schon alles, was das Leben zu bieten hatte.“ Über seine Romane sagte Friedman einmal: „Nur eine dünne Linie trennt Fiktion und Wirklichkeit. Manchmal weiß ich selbst nicht mehr, wo was aufhört oder anfängt", so Friedman. Aber wenn man eines seiner Bücher liest, weiß man sofort wieder, was wirklich wichtig ist im Leben und was es bietet, wenn es am schönsten ist: vor allem (jüdischen) Humor!

2013 ist Kinky Friedman auch auf Tournee, u.a. auch im Aera in Wien. Aktualisierte Lister unter: http://www.kinkyfriedman.com/events.html

Kinky Friedman
Der Gefangene der Vandam Street
Haffmans Verlag bei Zweitausendeins
2013
Übersetzt von Gunnar Kwisinski
235 Seiten

[*] Diese Rezension schrieb: Jürgen Weber (2013-04-11)

Hinweis: Diese Rezension spiegelt die Meinung ihres Verfassers wider und muss nicht zwingend mit der Meinung von versalia.de übereinstimmen.


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