Je komplexer, schneller und krank machender unsere Gesellschaft und unser ganzer Lebensstil werden, je mehr wachsen oft unklare und naive Sehnsüchte nach einem einfachen Leben, oder mindestens einem einfacheren als dem, unter die Menschen ächzen und stöhnen.
Die Österreicherin Inge Friedl hat es sich seit vielen Jahren zur Aufgabe gemacht, im Land herumzureisen und Menschen und Familien zu befragen nach ihrem Leben in den fünfziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts. Für ganz unterschiedliche, ausnahmslos sehr interessante Buchprojekte hat sie diese Gespräche mit Menschen in ländlichen Gebieten geführt.
Wie sie selbst schreibt, ist in ihr im Laufe der Zeit eine tiefe Hochachtung gewachsen, für diese Menschen, ihre Kultur und ihre Lebensweise. In einer Zeit ohne Strom und fließendes Wasser, stammte fast jedes Kleidungsstück aus der eigenen Produktion. Die Menschen waren aufeinander angewiesen und verbrachten jede freie Zeit miteinander, weil es nichts anderes gab.
Bei aller Bewunderung für die Lebensweise ihrer vielen alten Gesprächspartner, stellt Inge Friedl fest, dass es die gute alte Zeit so nie gegeben hat und ihr ist die Zwiespältigkeit der Erinnerung daran auch durch ihre Bücher bewusst.
Aber sie geht davon aus, dass es vielleicht das eine oder andere gibt, was wir heute von den Alten lernen können, was sich lohnt wiederentdeckt zu werden und bewahrt.
Bewahren sollte man das, was sich bewährt hat. Dem geht Inge Friedl in ihrem neuen Buch nach. Da geht es um Gemeinschaft, die sich durch Reden konstituiert und erhält, um Zufriedenheit, die sich von Gelassenheit ernährt und um einen sorgfältigen Umgang mit der Zeit. Die Kraft der Sonntagsruhe wird beschrieben und die Fähigkeit, auch einmal auf etwas warten zu können.
Es geht um gesundes und bewusstes Essen jenseits zeitgenössischer Ernährungsideologien, um Bescheidenheit im Leben, um das Glück, das das gemeinsame Singen bereitet und um einen würdigen Umgang mit der Trauer und den Tod.
Ein empfehlenswertes und gar nicht reaktionär daherkommendes Buch über die Notwendigkeit und das Glück eines neuen Lebensstils, der sich nährt aus dem Erfahrungsschatz alten Wissens.
Inge Friedl, Was sich bewährt hat. Begegnung mit alter Lebensweisheit, Styria 2015, ISBN 978-3-222-13522-4
[*] Diese Rezension schrieb: Winfried Stanzick (2015-12-15)
Hinweis: Diese Rezension spiegelt die Meinung ihres Verfassers wider und muss nicht zwingend mit der Meinung von versalia.de übereinstimmen.