Tana French gehört mit ihren tiefgründigen und extrem spannenden Kriminalromanen aus der Welt der Dubliner Kriminalpolizei mittlerweile zu den bekanntesten und auch besten Kriminalautorinnen der Welt.
Ich persönlich habe ihre Bücher bislang nicht zur Kenntnis genommen, was ich nach der Lektüre ihres neuen Buches „Gefrorener Schrei“ aufrichtig bedaure.
Zugegeben: es hat einige Dutzend Seiten gedauert, bis ich mich an die lockere und wenig literarische Sprache der Ich-Erzählerin Antoinette Conway gewöhnte, dann aber konnte ich mehr und mehr begeistert eintauchen in die Mikrowelt einer Ermittlung mit sehr langen detaillierten Beschreibungen von Verhören, einer fantastischen Darstellung der Soziologie eines Dezernats und seiner Gruppendynamik und einer mehr und mehr deutlich werdenden Charakteristik einer Protagonistin, die überall und von jedem damit rechnet, dass man ihr übel mitspielen will.
Ihr Partner bei der Ermittlung, Steve Moran, der einzige, der offensichtlich noch zu ihr hält, wirft ihr das mit folgenden Worten vor: „Weil du so wild darauf bist, spektakulär unterzugehen, dass du sogar dann dafür sorgen würdest, wenn die ganze Dubliner Polizei dich lieben würde. Notfalls würdest du dich selbst in den Abgrund stürzen. Und dann kannst du dir auf die Schulter klopfen und sagen, du hast es ja von Anfang an gewusst.“
Schon die Tatsache, dass sie und Steve nach einer langen Nachtschicht vom Boss den Auftrag bekommen, den Tod einer jungen Frau aufzuklären und ihnen der erfahrenen Kommissar Breslin zugeordnet wird, erregt ihren Verdacht. Erst recht, als offensichtlich wird, dass irgendjemand die Ermittlungen behindern will. Soll sie, die das Opfer schon einmal gesehen hat, aber sich zunächst nicht erinnert, wo und wann das war, scheitern und dann aus der Abteilung entfernt werden? Ist ein Kollege in die Tat verwickelt?
Mit jeder Seite wird dieser für einen Kriminalroman mit 652 Seiten ordentlich dicke Fall spannender und verzwickter. Immer wieder mit außergewöhnlich dringlicher Sprache eine enorme atmosphärische Dichte herstellend, jagt Tana French ihren Leser durch diesen Fall. Immer wieder neue Fäden werden ausgelegt und verfolgt, verworfen und dann wieder neu verwoben, sodass die Spannung unerträglich wird. Und auch die Frage, ob es Antoinette Conway gelingen wird, einen neuen Zugang zu ihrem Beruf und ihren Kollegen zu finden.
Sehr zu empfehlen. Tana Frenchs nächstes Buch werde ich nicht mehr übersehen.
Tana French, Gefrorener Schrei, Scherz Verlag 2016, ISBN 978-3-651-02447-2
[*] Diese Rezension schrieb: Winfried Stanzick (2017-01-16)
Hinweis: Diese Rezension spiegelt die Meinung ihres Verfassers wider und muss nicht zwingend mit der Meinung von versalia.de übereinstimmen.