Francis Scott Fitzgerald ist die wohl tragischste Figur der amerikanischen Moderne. Er, den man als Autor wie als Individuum als prominentes Mitglied des so genannten Jazz Age nennen muss, der das Tempo der amerikanischen Ostküstenmetropolen aufnehmenden Nachkriegsgeneration. Später dann war Fitzgerald der Lost Generation zuzurechnen, die sich in das Literatur affinere, bezahlbarere Frankreich absetzenden jungen Amerikaner um Gertrude Stein und Ernest Hemingway. Natürlich nennt man heute den Autor immer in einem Atemzug mit dem großen Gatsby, der zu Fitzgeralds Lebzeiten zwar ein Erfolg war, aber nicht der, als der er nach der Verfilmung 1974 mit Mia Farrow und Robert Redford erschien.
Der 1896 in St. Paul/Minnesota geborene Francis Scott Fitzgerald gelangte sehr früh zum literarischen Erfolg. Bereits 1920 durchbrach er mit This Side of Paradise die Schallmauer. In kurzen Abständen folgten Flappers and Philosophers, The Beautiful and Damned und Tales of the Jazz Age. Fitzgerald heiratete Zelda Sayre und die beiden wurden das Paar der New Yorker Szene schlechthin. Beide wurden im Laufe der Jahre Opfer ihres extravaganten, von Alkoholexzessen geprägten Lebenswandels, der Fitzgerald bereits mit 44 Jahren das Leben kostete.
Bei dem vorliegenden Essay-Band, der leider unter dem einfallslosen Titel Früher Erfolg: Über Geld und Liebe, Jugend und Karriere, Schreiben und Trinken veröffentlicht wurde, handelt es sich um Essays aus der Zeit des ganz großen Erfolgs und des rauschenden Tempos. Egal, um welche Betrachtungen es sich dabei handelt, ob es sich um die Corporate Identity der Universität Princeton handelt oder die Frage, wie locker das Geld bei schnellem Erfolg sitzt, Fitzgerald, der in den Jahren der Niederschrift immer über dem Limit lebte, bleibt ein erstaunlich guter, sachlich exakter und gründlich reflektierter Beobachter.
Manche dieser Essays haben aufgrund der analytischen Schärfe ihres Autors eine bestechende Aktualität. In Mädchen glauben an Mädchen skizziert er die jungen, selbstbewussten Nachkriegs-New Yorkerinnen und erklärt die Erosion der dominanten Männerrolle durch die Tatsache des Erziehungsmonopols des vorhergehenden Jahrzehnts durch die Frauen. In Warten Sie, bis sie Kinder haben, bekommt der Leser einen Exkurs über das Herausbilden eigenbestimmter und eigenverantwortlicher Persönlichkeiten, wie er aktuell angesichts der Entmündigung und/oder Überversorgung nicht relevanter und erlösender sein könnte. Und Meine verlorene Stadt, der Versuch, New York und seine Wirkung zu erklären, muss als eine der wirklich treffenden Charakterisierungen New Yorks angesehen werden. Die von Fitzgerald beschriebene Mixtur aus Tempo, Rausch, Subjektivität und Vergänglichkeit besticht durch Analyse wie Sprache und ist zudem eine bewegende Hommage an den dynamischen Lebensgeist der in dieser Metropole kämpfenden Menschen.
Das Echo des Jazz Age ist ebenso interessant und hinsichtlich der Wirkungstheorien bestimmter Epochen nahezu unverzichtbar, ähnlich wie die verschiedenen Etüden zum Dasein und Schaffen des Schriftstellers, wobei in ihnen sich die böse Ahnung des finalen Scheiterns des Autors nicht ausblenden lässt. Die vorliegenden Essays Scott Fitzgeralds sind alles andere als Mainstream, sie wirken wie Medizin in Zeiten des kulturellen Triumphalismus wie des dekadenten Defätismus. Der Band korrigiert nicht nur das geläufige, allzu glatte Porträt des außergewöhnlichen Schriftstellers, er bereichert auch heute noch durch die sprachliche Qualität und analytische Güte der Essays.
[*] Diese Rezension schrieb: Gerhard Mersmann (2012-12-12)
Hinweis: Diese Rezension spiegelt die Meinung ihres Verfassers wider und muss nicht zwingend mit der Meinung von versalia.de übereinstimmen.