Literatur als selbstmörderischer Trieb? Titanic statt Titan? Die Verkörperung des amerikanischen Traums: „jung, schön und erfolgreich standen sie im Mittelpunkt von Glanz und Glamour“, schreibt Daniel Kamp in seinem Nachwort und man mag ihm glauben, wenn man Fitzgeralds Anekdote zum Börsenkrach von 1929 liest: „Ich? Ich habe durch den Crash kein Geld verloren, ich hatte mein Geld bereits sofort ausgegeben.“ Das Problem war nur, dass er ab 1931 kaum mehr etwas mit seinen Geschichten verdiente und es seither bis zu seinem Tod nur mehr abwärts ging, das konnte auch das „Exil“ in Paris nicht mehr ändern, wo der Dollar zu jener Zeit fast das Vierfache wert war.
„Wenn ich nüchtern bin, ertrage ich die Welt nicht, wenn ich getrunken habe, ist es die Welt, die mich nicht erträgt“, soll Fitzgerald in einem seiner Alkoholräusche einmal zu Protokoll gegeben haben und die Prohibition soll ihn davon auch nicht unbedingt abgehalten haben, wie er in der Erzählung „Die Hochzeitsparty“ durchblicken lässt. Zelda hielt dabei übrigens tapfer mit, auch weil sie am Ende den Alkohol besser vertrug als ihr geliebter Fitzgerald. Geschichten schreiben lohnte sich damals auch noch, Fitzgerald verdiente an einer bis zu 4000 Dollar, während ein Fabrikarbeiter kaum tausend Dollar im Jahr (!) verdiente. Seine Bücher hingegen waren Flops, obwohl sie literarisch sicherlich höher einzustufen sind, als seine 160 Stories. Er selbst nannte es „huren“, denn mit einer Geschichte für die Magazine verdiente er das Geld, das er brauchte, um danach gute Bücher zu schreiben. Oder sich den Alkoholexzessen hinzugeben. Oder beides.
„Ich weiß gar nicht, ob ich tatsächlich existiere, oder ob ich nur ein Held aus meinen Geschichten bin“, gibt Fitzgerald freimütig zu und tatsächlich hatte er sich mit der Titelgeschichte vorliegender Sammlung, „Wiedersehen in Babylon“ vom Chronisten zum Elegiker der Goldenen Zwanziger geschrieben, diesem Jahrzehnt, der „teuersten Orgie der Geschichte“ wie Fitzgerald die Epoche von 1919 bis 1929 nannte. Auch heute wieder müssten seine Geschichten erneut gelesen werden, denn sie sind immer aktuell und zeitlos, wie er nicht nur in der „Hochzeitsparty“ beweist. In der Erzählung „Klassenwechsel“ beschreibt Fitzgerald den Friseur Earl, der zum Opfer eines Spekulanten wird und zwar zuerst ein Vermögen an der Börse macht, am Ende jedoch wieder alles verliert. Bald muss er erkennen, dass er nichts gerettet hat, „nicht die Liebe, mit der sie, unter glücklichen Vorzeichen, ihr Leben begonnen hatten, keine glücklichen Erinnerungen, nur einige wenige flüchtige Momente des Rauschs“. Bei weitem nicht genug für ein ganzes Leben zu zweit, weder für Earl und Violet, noch für Zelda und Francis Scott Key Fitzgerald, auch wenn in seinen Adern genug „rote Blutkörperchen der Geltungssucht pochten“ starb Fitzgerald während der Fertigstellung seines „letzten Tycoon“ an einem Herzinfarkt. Er war gerade erst 44 Jahre alt geworden.
F. Scott Fitzgerald
Wiedersehen mit Babylon
Kurzgeschichten
Mit einem Nachwort von Daniel Kampa