Mit einem leidenschaftlichen und engagierten Plädoyer für die Zukunft Europas meldet sich Joschka Fischer mit seinem neuen Buch auf der publizistisch-politischen Bühne zurück. Bei keinem anderen als Winston Churchill nimmt er Anleihe, der 1946 schon die „Vereinigten Staaten von Europa“ vorhersagte.
Genau darauf läuft auch sein Buch hinaus: Fischer plädiert dafür, diese Idee nicht aufzugeben und weiter auf sie hin zu arbeiten, trotz aller Probleme und Krisen, die er vorher beschrieben hat. Der große Knall der Finanzkrise 2009 hat Europa und sein Selbstverständnis ins Schlingern gebracht. Diese Krise analysiert er noch einmal genau, was man auch früher schon ähnlich in anderen Sachbüchern gelesen hat. Das ist für ihn ein Anlass, ausführlich noch einmal in die EU und die europäischen Geschichte einzusteigen, bevor er die strategische Krise der EU beschreibt.
Die Lehre, die er als ehemaliger Außenpolitiker und Verfechter der europäischen Idee aus seinen Überlegungen zieht ist klar und überzeugend:
Der Weg zu dem Ziel der Vereinigten Staaten von Europa muss konsequent weitergegangen werden, wobei ein ganz besonderen Wert gelegt werden muss, auf die Herausbildung einer europäischen Demokratie. Deutschland und Frankreich macht er dabei als entscheidende Faktoren dafür aus, ob dieser Prozess gelingt.
Ich muss gestehen, dass ich bei aller Würdigung des Buches, sehr skeptisch bin, ob dieser Prozess gelungen kann. Zu schnell, zu unüberlegt ist die EUR in den letzten zehn Jahren durch Ländern erweitert worden, die weder ökonomisch noch rechtsstaatlich in diesen Kreis passten. Zu eigennützig und nationalistisch agieren viele Ländern, als dass man sich ernsthaft vorstellen könnte, sie wären bereit, nochmehr nationalstaatliche Kompetenzen an eine zentrale europäische Regierung abzugeben. Die vielen eurokritischen und -feindlichen Parteien in den meisten Mitgliedsstaaten kommen ja nicht von ungefähr. Sie drücken eine Stimmung in der Bevölkerung aus, die für die Zukunft Europas in Fischers Sinne wenig Gutes erhoffen lässt.
Joschka Fischer, Scheitert Europa, Kiepenheuer & Witsch 2014, ISBN 978-3-462-04623-6
[*] Diese Rezension schrieb: Winfried Stanzick (2014-10-20)
Hinweis: Diese Rezension spiegelt die Meinung ihres Verfassers wider und muss nicht zwingend mit der Meinung von versalia.de übereinstimmen.