Einen Wortwechsel zwischen Bakunin und Marx in der Ersten Arbeiterinternationale nimmt Peter Singer als Aufhänger für seinen Essay über die Zukunft der Linken in Europa und der Welt. Bakunin habe nämlich damals schon das prophezeit, was dann 100 Jahre später in real sozialistischen Ländern passiert sei: „sie werden nicht mehr das Volk vertreten, sondern sich und (ihre) Ansprüche“.
Die Rede ist hier natürlich von der revolutionären Avantgarde und auch diese ist eben von allzu menschlichen Fehlern nicht ausgenommen: „das menschliche Wesen ist kein dem einzelnen Individuum inwohnendes Abstractum. In seiner Wirklichkeit ist es das ensemble der gesellschaftlichen Verhältnisse“, zitiert Singer Marx’s Thesen zu Feuerbach. Wir leben in einer Welt, in der die 400 reichsten Menschen ein Vermögen besitzen, das größer ist als das der unteren 45 Prozent der Weltbevölkerung. Eine Milliarde Menschen, schreibt Singer, lebe von weniger als einem US-Dollar pro Tag. Die Linke wolle diese Situation ändern, auch wenn es immer noch kein neues Paradigma gebe, denn genau an diesem mangle es. Dabei hätte es schon John Rawls formuliert: Ungleichheiten seien nur insofern zuzulassen, als sie den am schlechtesten Gestellten in der Gesellschaft zum Vorteil gereichen. Friedrich Engels selbst sei es gewesen, der den Darwinismus – bisher immer von den Rechten beansprucht - in den Marxismus einführen haben wollte. Ab er was bestimmt unser Leben nun mehr? Biologische Faktoren oder das soziale Umfeld? Das Rad, das am lautesten quietscht, bekommt am meisten Fett. Aber ist dies gerecht?
Peter Singer betont, dass es in jeder menschlichen Gesellschaft Ansätze zu Kooperation oder Konkurrenz gebe. Aber: „Die individuelle Verfolgung des jeweiligen Eigeninteresses kann kollektiv gesehen kontraproduktiv sein.“ Illustriert mit dem in der Sozialwissenschaft bekannten Gefangenen-Dilemma, verweist Singer auf das „Tit for Tat“ der Wirtschaftswissenschaften, das von Richard Dawkins auch einfacher ausgedrückt wurde: „Wo es Trottel gibt, gibt es auch Betrüger“. Nur wenn beide kooperieren, werden wir überleben. Ein Essay, dass man sich unbedingt genauer anschauen sollte. Ein Plädoyer zur rechten Zeit von einem darwinistischen Linken.
Hrsg.: Fink, Sascha Benjamin
Singer, Peter: Linke, hört die Signale!
Vorschläge zu einem notwendigen Umdenken.
[Reclam Reihe: Was bedeutet das alles?]
Neuübersetzung von Kruse-Ebeling, Ute
95 S.
ISBN: 978-3-15-019555-0
Reclam Verlag
[*] Diese Rezension schrieb: Jürgen Weber (2018-08-07)
Hinweis: Diese Rezension spiegelt die Meinung ihres Verfassers wider und muss nicht zwingend mit der Meinung von versalia.de übereinstimmen.