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Filmarchiv Austria - Sex in Wien. Eros und Geschlecht
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Filmarchiv Austria:
Sex in Wien. Eros und
Geschlecht

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(Bücher frei Haus)

Im Rahmen der „Venedig in Wien“-Ausstellung im Wiener Prater wurde 1895 auch eine sog. „Kinetoskophalle“ errichtet, die alsbald genau dort – ob der gezeigten einschlägigen Sujets – die Polizei einschreiten ließ. 18 Beispiele solcher Sujets, die vom Filmarchiv Austria eigens dafür restauriert wurden, werden auf der vorliegenden DVD in Ausschnitten gezeigt. Im Spannungsfeld von Pornografie, Erotik und Aufklärung befinden sich die aus den Jahren 1906-1933 stammenden kinematographischen Beispiele, die durchaus auch heute noch von der Sitte – ob ihres vermeintlich anstößigen Inhalts - beanstandet werden könnten.

Nuditäten oder Erotischer Reigen?

Der erotische Reigen wird von Johann Schwarzers SATURN-Film eröffnet, die schon 1906 Stummfilme mit einschlägigen Inhalten herstellte. Die Kurzfilme und erotischen Miniaturen zeigen in wenigen Minuten Länge Nuditäten aller Art, die teilweise tatsächlich der Pornografie zuzuordnen sind. Interessant ist der Hinweis im eigens erstellten und der DVD beigefügten Booklet, dass das Filmschaffen in Wien überhaupt mit diesen pikanten Filmchen eigentlich sogar erst begann. Der „Traum eines Junggesellen“ zeigt zum Beispiel einschlägige Bilder von Cunnilingus und Gruppensex eines Mannes mit drei Damen, die sich wenig Zwang antun, wenn sie auch stets bemüht sind, ihr Gesicht nicht allzu sehr in die Kamera zu halten und es vor den zudringlichen Blicken des Regisseurs und der Zuseher durch Kopfpolster zu schützen. Solche Filme konnten für öffentliche Vorführungen damals natürlich keinen Verleih finden und hatten einen halbprivaten Verwertungskontext eines vergnüglichen „Herrenabends“, auf den der Protagonist in „Moderne Ehe“ 1906/07 durch einen handgeschriebenen Zettel eingeladen wird, was dann die Ehefrau desselben zum Schreiben eines ähnlichen Inhalts mit allerdings anderem Adressaten bemüßigt.

Überlebensstrategie Vienna calling

Zum Ende des Ersten Weltkrieges gab es dann schon klarere sexuelle Hinweise auch in der Öffentlichkeit zugänglichen Filmen: „Der Mandarin“ (1918) fordert in einer Szene einen Junggesellen dazu auf, sich mit einem Mädchen zu vergnügen. Dafür zaubert er ihm Maiglöckchen in die Wiese, deren Duft nicht nur die kleine Lolita verzaubert, sondern auch ihre alte Aufpasserin, die Gouvernante, über die sich dann der Mandarin höchstpersönlich selbst hermacht. Man könnte dieser Publikation natürlich – nach heutigen Maßstäben - Päderastie unterstellen, aber vielleicht handelt es sich ja doch nur um einen harmlosen Märchenfilm der in Person des Orientalen die im Westen tabuisierte Sexualität verkörpern muss? Auch der Gesundheits- und Medizinfilm spielte eine wichtige Rolle in der Filmproduktion zu Beginn des Jahrhunderts, wobei aber auch voyeuristische Befriedigung versprochen wurde. So zeigen etwa „Hygiene der Ehe“ oder „Mysterium des Geschlechts“ zwar eine „vordergründig aufklärerisch motivierte Spielfilmhandlung“, wie Anna Högner im zitierten Booklet treffend schreibt, aber es sei unschwer zu erkennen, dass bei diesen Produktionen nicht nur auf die „wissenschaftliche“ Neugier des Publikums gezielt wurde.

Wien: „Ekstase“ im „Café Electric“?

Interessant sind aber auch die s in tschechischer, italienischer, französischer oder sogar ungarischer Sprache, die wie bei Stummfilmen damals üblich, die Handlung erklärten. Auch im Plot der Spielfilme gab es aber bisweilen länder- oder kulturspezifische Unterschiede. So muss die Tänzerin Célimène in der deutschen Fassung von „Das Spielzeug von Paris“ (Michael Kertész, 1925) – als Strafe für ihr liederliches Leben - an einer Lungenentzündung sterben, während sie in der spanischen und englischen Fassung nach der gescheiterten Liaison mit dem Diplomaten wieder gesund auf die Bühne zurückkehrt. Der klassische „Bohème“-Stoff erfährt auch in dem wohl besten österreichischen Film der Zwischenkriegszeit, Café Electric (Gustav Ucicky, 1927) eine Reprise: lockere Sitten in dem einen Milieu und parallel dazu montiert die wahre Liebe eines Gentlemans zu seiner Angebeteten. In „Ekstase“ (Gustav Machaty, 1933) wird schließlich erstmals ein weiblicher Orgasmus im Kino öffentlich gezeigt, was ihn dann wohl auch in den Schlafzimmern damaliger Eheleute aufs Tapet brachte - denn davon hatte man bis dahin noch nie gehört.

Filmarchiv Austria
SEX IN WIEN.
Eros und Geschlecht im österreichischen Kino 1906 bis 1933
EUR 24.90

[*] Diese Rezension schrieb: Jürgen Weber (2016-12-21)

Hinweis: Diese Rezension spiegelt die Meinung ihres Verfassers wider und muss nicht zwingend mit der Meinung von versalia.de übereinstimmen.


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