Ein Abgesang auf unsere weltliche Kultur ? Ein Nachruf auf eine Zivilisation, die mit ihren demokratischen Errungenschaften und ihrem wirtschaftlichen Erfolg sich lange als der Nabel der Welt definierte und sich nun aber schon seit längerer Zeit von BRIC,- Tiger- und anderen Staaten überholt sieht ?
So könnte man den Titel und den Untertitel des hier vorliegenden neuen Buches des Finanz- und Wirtschaftshistorikers Niall Ferguson, der in Harvard und Oxford lehrt, verstehen. Und tatsächlich geht Ferguson, der als einer der profiliertesten Historiker der Gegenwart gilt, in seinen hier abgedruckten Vorträgen, die auf den Reith Lectures von BBC Radio 4 beruhen, die er 2012 in Englang gehalten hat auf diese Fragen ein. Die Form der Vorträge unterstützt die Nachvollziehbarkeit und Verständlichkeit seiner Ausführungen.
Darin beschreibt er nicht nur die für jeden offensichtlichen Symptome des Niedergangs des Westens wie nachlassendes Wachstum, exorbitante Staatsschulden, von denen niemand glaubt, dass sie noch jemals in den Griff geraten, immer mehr alte Menschen bei sinkenden Geburtenraten und Gesellschaften, die mit ihrem Sozialgefüge immer brüchiger werden. Keine guten Aussichten. Ferguson geht den Ursachen dieser Entwicklung nach und kommt immer wieder darauf, dass der Westen (für sind das im Wesentlichen die USA und Großbritannien- eine Schwäche seines Ansatzes) zugelassen hat, dass vier Säulen, auf denen er seine Weltherrschaft aufbaute und auf denen sie lange unangefochten ruhte, immer mehr verfallen, ohne dass dies zur Kenntnis genommen oder gar etwas dagegen unternommen würde seitens der Entscheidungsträger in Wirtschaft, Politik und Kultur. Für ihn sind es die repräsentative Demokratie, die freie Marktwirtschaft, der Rechtsstaat und eine funktionierenden Zivilgesellschaft, die lange die Überlegenheit der westlichen Kultur ausmachten. Ohne Not habe man zugelassen, dass diese Säulen ausgehöhlt wurden, lächerlich gemacht und vernachlässigt.
Etwas schwach nimmt sich angesichts dieser schonungslosen Analyse die Hoffnung aus, die er dennoch ausspricht: wenn die westlichen Gesellschaften, so ist Ferguson überzeugt, sich wieder besinnen auf die Kraft und die Bedeutung dieser vier Säulen, dann könnten sie in einer globalisierten Welt den anderen Kräften etwas entgegensetzen und so ihr Überleben sichern. Man wird allerdings den Eindruck nicht los, als glaube er selbst nicht so recht daran.
Niall Ferguson, Der Niedergang des Westens. Wie Institutionen verfallen und Ökonomien sterben, Propyläen 2013, ISBN 978-3-549-07442-8
[*] Diese Rezension schrieb: Winfried Stanzick (2013-05-23)
Hinweis: Diese Rezension spiegelt die Meinung ihres Verfassers wider und muss nicht zwingend mit der Meinung von versalia.de übereinstimmen.