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Jörg Fauser - Rohstoff

Harry Gelb, der Protagonist des Romans und angehende Schriftsteller, lebt mit seinem Freund Ede auf einem Dach in Istanbul und frönt seiner Sucht. Und das ausgerechnet in dem Jahr, in dem in Europa und den USA Revolutionsstimmung herrscht: 1968. “Solange es ging, wollte ich bleiben in diesem Loch. Das Leben war ohnehin sinnlos“, denkt sich Harry, aber bald verschlägt es ihn ohnehin wieder zurück, nach Europa, in den Berliner Underground. 45 Kilo zeigt die Waage bei seiner Ankunft noch an.

Stamboul Blues in Germoney

Was folgt ist eine selbstironische und sehr amüsante Auseinandersetzung mit den Segnungen der 68er Bewegung, ihren Vorteilen und Nachteilen. Und keiner hat das 68er-Milieu authentischer und einfühlsamer beschrieben als Fauser, war er doch selbst Teil desselben. Fünf Tage und fünf Nächte spielt Harry das Weiße Album der Beatles auf und ab, bis er Sarah kennenlernt, von der er hofft, dass sie ihn „aus der Scheiße zieht“ und er endlich wieder an seinem Roman „Stamboul Blues“ weiterschreiben kann. 24 Stunden pro Tag wollte er daran schreiben, aber dazu braucht er Weckamine, aber Sarah ist nicht gerade begeistert davon, das Bett neben sich leer zu finden. „Alle Schwierigkeiten kamen daher, dass Frauen nicht allein sein können.“ Und bald verliert er auch diese Hoffnung (Sarah) an andere Hoffnungsversprecher (Opium et. al.).

Potpourri der Eitelkeiten

Nach Istanbul, Berlin und Göttingen, spielt „Rohstoff“ auch in Frankfurt und kurz in Wien. Als er in einem eigenen Kapitel William S. Burroughs, dem amerikanischen Schriftsteller, Drogen-Papst und Cut-up-Erfinder, begegnet, raubt er ihm die Apomorphin-Formel, aber das einzige was ihm wirklich gegen seine Sucht hilft, ist das Schreiben. Auch Nuttenlouis, Speedy oder Fuzzi, ganz zu schweigen von Bernadette, können Harry das Gefühl geben, das er beim Schreiben hat. „Als ehemaliger Junkie und als zukünftiger Ehemann war ich eine Niete, aber ich hatte das Gefühl, das mich das als Schriftsteller weiterbringen würde.“ Über Wasser halten muss sich Harry aber ohnehin mit Nebenjobs wie Nachtwächter oder Flughafenpacker. Auch das ein guter Rohstoff zum Schreiben?

Jörg Fauser’s zweiter Roman – nach „Der Schneemann“ – erschien 1984 erstmals und erzählt humorvoll und voller Kapriolen das Werden eines Schriftstellers (Harry Gelb) erzählt von einem anderen Schriftsteller (Jörg Fauser). Eine geniale Idee für einen Plot, der lustiger nicht hätte ausfallen können. Auch wenn einem manchmal das Lachen im Halse stecken bleibt. Mit einem Nachwort von Michael Köhlmeier und Matthias Penzel. Pflichtlektüre!

Jörg Fauser
Rohstoff
Mit Nachworten von Michael Köhlmeier und Matthias Penzel
2019, 352 Seiten (Printausgabe), Diogenes Verlag
ISBN: 978-3-257-60909-7
€ (D) 20.99 / sFr 27.00* / € (A) 20.99

[*] Diese Rezension schrieb: Jürgen Weber (2019-06-20)

Hinweis: Diese Rezension spiegelt die Meinung ihres Verfassers wider und muss nicht zwingend mit der Meinung von versalia.de übereinstimmen.


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