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Jörg Fauser - Marlon Brando. Der versilberte Rebell. Eine Biographie
Buchinformation
Fauser, Jörg - Marlon Brando. Der versilberte Rebell. Eine Biographie bestellen
Fauser, Jörg:
Marlon Brando. Der
versilberte Rebell. Eine
Biographie

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(Bücher frei Haus)

Die Boheme ist keine Gehaltsklasse

Jörg Fauser brauchte mal wieder Geld. So ließ er sich bereits 1977 darauf ein, eine eher brav geschriebene Biographie über James Dean ins Deutsche zu übersetzen. Der bis heute einzigartige Übersetzer des amerikanischen Underground, der in Mannheim lebende Carl Weissner, hatte zwecks Überlastung den Verlag auf seinen Freund Fauser aufmerksam gemacht. Dieser willigte ein und lieferte mit seiner Übersetzung eine literarische Dimension, die aus der eher langweiligen Vorlage einen Fetzer machte. Der Verlag hakte nach und bat Fauser, selbst eine Biographie über Marlon Brando zu schreiben. Der war widerborstig und willigte nach zähem Ringen irgendwann ein. In seinem Tagebuch steht am 16.1.1978: Brando angefangen. Und am 27.3.1978: Brando abgeschlossen. Nach eingehender Recherche schrieb Fauser dieses bis dahin für das Genre unglaubliche Werk in zwei Monaten herunter.

Fausers Arbeit hat journalistischen Charakter. Der Autor folgte Brando mit zielsicherem Gespür aus der amerikanischen Provinz, sprich dem Nest Libertyville nach New York, wo er sich durchschlägt. Versuche eines jungen Rebellen, der sich in der Metropole durchzusetzen versucht, bringen ihn irgendwann in Bohemekreise, wo man ihm schauspielerische Qualitäten attestiert. Zunächst geht er mit Tennessee Williams Endstation Sehnsucht auf die Bühne und bricht alle Rekorde und die Herzen der aufbegehrenden jungen amerikanischen Generation. Es ist sein Gestus, der imponiert, das Coole, das Nonchalante, das unausgesprochene Desinteresse an den großen, gesetzten Diskursen um die amerikanische Gesellschaft dieser Tage. Brando schert sich nicht drum. Er wechselt von der Bühne zum Film und holt sich mit einem Achselzucken ein Millionenpublikum.

Was folgt, ist bekannt. Welterfolge mit Endstation Sehnsucht, Die Faust im Nacken. Der Rebell kommt nach Hollywood und nicht die Filmindustrie vereinnahmt ihn, sondern er sie. Brando diktiert, streicht astronomische Gagen ein, verschwendet sie gleichgültig und spielt das Spiel nicht mit. Entzieht sich immer wieder erfolgreich der vermarktenden Öffentlichkeit, dreht Filme, die gigantische Flops werden, von der Historienschnulze bis zum Western. Kauft ein Atoll in der Südsee und kämpft für die Umwelt, engagiert sich für die Indianer und brüskiert. Die sechziger Jahre finden ohne ihn oder mit Pleiten statt, er verhöhnt den Historienschmu mit der Meuterei auf der Bounty. Und dann, als die öffentliche Wahrnehmung ihn abgeschrieben hat, taucht er wieder auf und wirft mit Der Pate und Der letzte Tango in Paris dem verdutzten Publikum zwei Welterfolge hin. Zur Verleihung seines zweiten Oscars, diesmal für den Paten, schickt er eine junge Indianerin, die ihn für ihn ablehnt. Brando kehrt danach zurück in seine von der Öffentlichkeit abgeschirmte Welt, genauso cool, genauso nonchalant und genauso an der Kulturindustrie desinteressiert.

Fauser gelingt es, Marlon Brando als da darzustellen, was die normierte Öffentlichkeit nie verstanden hat: Den Rebellen, der sich versilbert, ohne sich kaufen zu lassen. Einen wahren Bohemien, dessen Wesen es ist, die Bourgeoisie zu verhöhnen ohne selbst ein bürgerliches Leben je zu führen. Die heutigen Versuche, die Boheme als eine einkommensstarke, kreative Kaste zu beschreiben, haben die Rebellion aus dem Auge verloren. Brando ist der Beweis, dass die Boheme von der Rebellion nicht zu trennen ist. Und Fauser war der, der das wusste. In einer biographischen Notiz wenige Monate vor seinem Tod schrieb Jörg Fauser zur eigenen Person: „Keine Stipendien, keine Preise, keine Gelder der öffentlichen Hand, keine Jurys, keine Gremien, kein Mitglied eines Berufsverbands, keine Akademie, keine Clique; verheiratet, aber sonst unabhängig.“ Zwei, die sich verstanden, hatten sich in dieser Biographie gefunden.


[*] Diese Rezension schrieb: Gerhard Mersmann (2009-08-08)

Hinweis: Diese Rezension spiegelt die Meinung ihres Verfassers wider und muss nicht zwingend mit der Meinung von versalia.de übereinstimmen.


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