Die Millionenerbin Jean Courtland (Gail Russell) versucht zu Beginn des Filmes Selbstmord zu begehen, doch ihr Verlobter hindert sie daran, zu springen. Der etwas unvermutete und schwer nachvollziehbare Beginn dieses Thrillers führt dann doch in eine sehr spannende Handlung, in der mit viel Dramatik und Gruselflair der Wahrheitswert von Prophezeiungen untersucht wird. Denn der große Mentalist John Triton (Edward G. Robinson) hat die Gabe geerbt, in die Zukunft zu sehen. Natürlich will er zuerst nichts davon wissen, denn er glaubt, wenn er die Dinge ausspricht, die er vorhersieht, werden sie erst zur Realität. Doch dann belehrt ihn das Schicksal des kleinen Zeitungsjungen eines besseren und Triton versucht seine Gabe positiv einzusetzen, indem er versucht das Leben der schönen Jean Courtland zu retten. Der Film ist auch unter dem Titel „Du stirbst um elf!“ beworben worden und genau das besagt die Prophezeiung Tritons für Jean Courtland.
Tödliche Sternennacht
Als alle anderen Vorzeichen der Prophezeiung eintreffen, beginnt der Verlobte von Jean Verdacht zu schöpfen, dass Triton selbst da am Rädchen gedreht hat. Er zieht also die Polizei hinzu und Triton wird bis zum Zeitpunkt der vermeintlichen Ermordung unter Aufsicht gestellt, denn ausgerechnet er wird jetzt verdächtigt, die Millionenerbin, die auch die Tochter seiner Ex-Verlobten ist, um ihr Erbe zu erleichtern. Auch den Flugzeugabsturz ihres Vaters, seines ehemaligen Kompagnons bei seinen Varieté-Shows konnte er vorhersehen und so beginnt Triton selbst an sich zu verzweifeln, denn seine Gabe wird ihm zum Fluch. In dem Anwesen von Courtland dreht schließlich jemand, der sich hinter einem Vorhang versteckt hält, an der Wanduhr des Wohnzimmers und so wird die Überwachung von Jean um elf Uhr vorzeitig abgebrochen. Als Jean erleichtert in den Garten hinauseilt, um die klare Sternennacht wieder ohne Angst genießen zu können – der Titel „Night of a Thousand Eyes“ spielt auf die Sterne an – passiert genau das, was Triton vorhersehen konnte.
Verantwortung und Sühne
Der innere Konflikt Tritons – einerseits Dinge vorhersehen zu können und andererseits diese damit auch zu realisieren – wird glaubwürdig dargestellt, denn tatsächlich verzweifelt Edward G. Robinson mit seinen großen Glubschaugen sehr gekonnt an seinem Schicksal. Er wollte er wäre so normal wie die anderen und muss doch akzeptieren, dass ihn seine Gabe unter anderen hervorhebt und auszeichnet und er sie nützen muss, um anderen zu helfen. Das nennt man dann wohl Verantwortung übernehmen und notfalls kann dies auch für einen selbst ins Auge gehen. Oscar-Preisträger John Farrow hat mit „Die Nacht hat tausend Augen“ ein faszinierendes Thrillerdrama in Schwarz/Weiß geschaffen, das erst sehr spät in den Kanon der wichtigsten Noir-Klassiker aufgenommen wurde. Einmalig ist die Darstellung von Edward G. Robinson („Der kleine Cäsar“) als Triton, Gail Russell („Der unheimliche Gast“) und John Lund („Eine auswärtige Affäre“) brillieren in ihren Nebenrollen. Koch Media Home Entertainment ist es zu verdanken, dass die Perlen der Film Noir Zeit wieder neu aufgelegt werden und auch heute noch auf ein begeistertes Publikum treffen.
John Farrow
Film Noir Collection #21: Die Nacht hat tausend Augen (DVD)
Originaltitel: Night of a Thousane Eyes
Mit Edward G. Robinson, John Lund, Gail Russell u.a.
USA 1948, Thriller, 78 min, Deutsch, Englisch
Koch Media Home Entertainment
Extras: Booklet, Bildergalerie mit seltenem Werbematerial
[*] Diese Rezension schrieb: Jürgen Weber (2015-09-22)
Hinweis: Diese Rezension spiegelt die Meinung ihres Verfassers wider und muss nicht zwingend mit der Meinung von versalia.de übereinstimmen.