„Schau, i hoab des Woart `dekadent´ recherchiert und ca. 200 Leudt gfroagt woas des haast, und olle 200 hoam woas oanders gsoagt. Aber immer hoats irgendwia mit miar zum tuan ghoabt.“ (Schau, ich habe das Wort `dekadent´ recherchiert und 200 Leute gefragt, was das heißt und alle 200 haben etwas anderes gesagt. Aber immer hat es irgendwie mit mir zu tun gehabt.), protzt Falco in einem Interview zum Video seines Songs „Titanic“, eine der aufwändigsten Produktionen des Wiener Superstars mit der Wiener Produktionsfirma DoRo. Im Text heißte es u.a.: „Morbidity for you and me.../Die Titanic sinkt in Panik/Ganz allanig/Aber fesch/Mit all den Millionen cash/Und all der teuren Wäsch`./(…)/Decadence for you and me, decadence.../(…)/In jedem Fall entscheid ich mich,/Egal, ob nobel oder nicht,/Besser neureich sein als nie reich sein/Und in Gesellschaft nicht allein./Lets decadence at all events,/Im Walzerschritt zum letzten Tritt,/Denn wer den Walzer richtig tritt,/Der is` auch für den Abgang fit./Morbidity for you and me...“
Charisma Kommando
Das aus dem Jahre 1992 stammende Lied „Titanic“ wurde zwar nie wirklich ein Hit, aber es könnte heute, 20 Jahre nach der ersten Veröffentlichung nicht besser passen, denn tatsächlich ging die Titanic vor genau 100 Jahren, am 15. April 1912 unter und ganz Europa befindet sich wieder in einer Krise, hoffentlich aber nicht vor einem Weltkrieg. Hansi Hölzel, genannt „Falco, Gottehrer“ kann man jedenfalls auch nicht nachsagen, dass er keinen guten Abgang gehabt hätte. Mit einem Drogencocktail unterschiedlichster Ingredienzien fuhr er am 6. Februar 1998 in seinem neu gewählten Wohnsitz, der Dominikanischen Republik, mit Vollkaracho (Motto: „Charisma Kommando“, 1990) gegen einen Lastwagen. Ob Absicht oder nicht, darüber schweigen sich selbst die Torpedo Twins (Dolezal/Rossacher), aus, auch wenn in einem unlängst erschienen Film über Falco keine Geringere als Grace Jones die Selbstmordthese mehr als untermauert. „Morbidity for you and me“, das was gemeinhin als Wiener Charme tituliert wird, das beherrschte Falco wie kein anderer und wenn man sich seine Reaktion auf seinen Nummer 1 Hit „Rock me Amadeus“ ansieht, dann wäre man fast bereit, Grace Jones zuzustimmen. Denn Falco wusste schon 1985, mit 28 Jahren, dass ihm das nie mehr gelingen würde: Nr. 1 in Amerika zu sein. Es sei denn mit einem „richtigen Walzer-Tritt, der ihn für den guten Abgang fit“ machte.
„Am Bass: Falco, Gottehrer.“
Sein Comeback sollte dem knapp 41-Jährigen erst durch seinen Tod gelingen und „Out of the Dark“ mit den beschwörenden Zeilen „Muss ich denn sterben, um ewig zu leben“ wurde von den Medien rauf- und runtergespielt, obwohl das Lied Jahre vor seinem Tod entstanden war und der Text gar nicht von Falco stammte. Aber der morbide Wiener Charme lässt sich eben gut verkaufen, das zeigte schon Falcos erster Hit „Ganz Wien“, den er noch in seiner Zeit bei Drahdiwaberl (Deutsch: „Dreh`-Dich-Weiberl“, eine Aufforderung zum Analsex oder zumindest Sex von hinten) geschrieben hatte. Stefan Weber, das Mastermind von Drahdiwaberl erzählt in einem Interview, dass er es dem Falco eigentlich als Pausenfüller zum Umziehen durchgehen hatte lassen, aber auch Weber merkte bald, was für eine Faszination der junge „Gottehrer“ auf das Publikum ausübte. Aus dieser Zeit stammt auch der folgende Dialog: Falco, der immer pünktlich zu den täglichen mind. Acht Stunden langen Proben gekommen sei, so Weber, habe eines Tages zu ihm gesagt: „Du, Stefan, stell` mich in Zukunft bitte so vor: `Am Bass: Falco, Gottehrer.´“ Am dritten Tag sei er aber nochmals gekommen: „Des `Gottehrer´ nehmama wieda weg, awei des is ab issl zu dick, abea…des `Falco´…des bleibt.“
„Ganz Wien, Wien, Wien is so herrlich hin, hin, hin…“
„Das Herz geht solange zum Messer, bis es …sticht“ (Emotional, 1986). Eigentlich hat seine
Mutter ihm seinen heldenhaften Abgang verdorben, da sie sich als Interviewpartnerin hergegeben hat. Er habe seine Frauen wie Porzellan behandelt, wie ein echter Gentleman, erzählt eine andere Zeitzeugin. Eigentlich habe er – das Einzelkind, das ohne Vater aufwuchs - immer eine Familie gewollt. Die Entdeckung, dass seine Tochter von wem andern war, war deswegen umso schlimmer für ihn. Falco, der oft u.a. als „exaltiert, getrieben, getrieben von seiner Kreativität, seiner Zeit voraus, sehr mit sich kämpfend, impulsiv, extravaganter Spinner, einziger österreichische Weltstar, etc.“ beschrieben wurde, war eigentlich ein Familienmensch. Mit seinem Vater hätte er sich nie gut verstanden, er habe keine Familie, nur seine Mutter. Als erstes Geburtstaggeschenk habe er von ihr eine Trommel bekommen, später Stutzflügerl statt gewünschter Ziehharmonika, so erzählt seine Mutter. Falco machte daraus die Geschichte, er habe sich immer eine Gitarre gewünscht, aber Klavierstunden nehmen müssen. „So habe ich beides nicht gelernt: weder die Tasten noch die Saiten“. Dafür war er einer der ersten der in Deutsch rappte und das Computerzeitalter in seinen Songs und Videos vorwegnahm. Aber er hatte immer Zweifel an seiner Arbeit als Sänger: „Was wir machen ist Schall und Rauch.“ Die Literaten, die Maler seien besser dran, er beneide sie, sagte er in einem seiner letzten Interviews. Aber auch: „Eigentlich hoab ih`s eh guat erwischt, mit dem wenigen des mir gegeben ist…“ Erstmals werden auch Bilder des Begräbnisses in „Hoch wie nie“ zu den Klängen von Falcos Interpretation des Dylanklassikers „It`s aller over now, baby blue“ gezeigt. „Nicht dem Leben mehr Jahre sondern den Jahren mehr Leben zu geben“, das sei sein Motto gewesen, so Altbürgermeister Helmut Zilk auf Falcos Begräbnis. Sein Tod habe für die Mutter Entlastung gebracht, weil sie sich immer Sorgen um ihn gemacht habe, sagt sie selbst im Interview. Das Comeback, das er nicht mehr erleben durfte, erreichte er schließich durch seinen spektakulären Tod.
Falco gedenken: zwischen Depression und Größenwahn
„Warum denn so sarkastisch, so zynisch?“, frägt ihn in einer deutschen Diskussionsrunde der völlig spaßfreie steife NDR-Moderator mit Vokuhila-Frisur. „Das ist halt unsere Art so, weißt du, so zwischen Depression und Größenwahnsinn. Da haben wir Euch halt etwas voraus, a bisserl…“ In Erinnerung behalten kann man ihn am besten, wenn man ihn sich in seiner weißen Limousine vorstellt, wie er diese nackten Sphynx-Katzen streichelt und am Wiener Schloss Belvedere vorbeifährt und dazu singt „Dann und wann, kann, kann es auch mal Liebe sein/Dann und wann, kann, kann es auch mal Liebe, kann es auch mal Liebe sein“. Vor dem Springbrunnen des Belvederes badet eine Schöne, die Anita Ekberg aus Dolce Vita nachempfunden ist und Falco fährt in die imperiale Wiener Nacht, die so viel mit Italien zu tun hat, wie er auch in seinem größten Flop, „Junge Römer“, singt: „Un ballo nuovo porta ritmo nei fianchi della cittá /Ci vediamo, troviamo, cerchiamo che cosa si fa /Ma non cercate dei valori, e magarí sensation/La notte é nostra fin al mattino, abbiamo illusion/non é la fine del viaggino, cé sempre un domani e /Ci sono dimensioni, con illusioni e sensazioni/Give me more ...“: Das ist nicht das Ende der Reise, es gibt immer ein Morgen, es gibt Dimensionen, mit Illusionen und Sensationen…
„Dann und wann, kann, kann es auch mal Liebe sein“
Wenigstens Sony feiert den „Helden von heute“ (1981, B-Seite der „Kommissar“-Single), der am 19. Februar seinen 55. Geburtstag gefeiert hätte, gebührend und fast schon dekadent, wie anfangs im Text angesprochen, geradezu „titanic-sch“: In dem vorliegenden 6-DVD starken Package ist nicht nur der Doro Film „Falco 3 - Eine Spurensuche“ eingepackt, sondern es sind auch weitere Dokumentationen und sogar Konzerte des „Falken“ versammelt: „Hoch wie nie (Dokumentation)“, „Everything Relaoded (Video Collection)“, „Donauinsel Live (Konzert)“, „Symphonic (Konzert)“ und zuletzt „Falco - Der Poet (Dokumentation)“. Die Dokumentationen stammen von den sogenannten Torpedo Twins Dolezal & Rossacher (Doro), die Wiener, die auch schon mit Queen und anderen Kalibern des Showbusiness gedreht haben. Für ein komplettes Tracklisting der DVDs siehe: http://www.sonymusic.at/Falco/Falco-Superstar-And-Rockidol/P/2565209. Alle Zitate meinerseits stammen aus den erwähnten Tonträgern, außer dem NDR-Interview, das online abrufbar ist.