Wer viel telefoniert, dem wird auch oft fad. Früher hatte man neben dem Schnurtelefon einen Zeichenblock liegen und malte Mandalas oder irgendwelche Blumenfiguren. Heute – im Zeitalter der technischen Reproduzierbarkeit – gibt es zur Beruhigung unruhiger Gemüter ein ganz besonders Malbuch: eins zum Ausmalen. Zum Anschmieren, was auf Wienerisch ja auch „veräppeln“ bedeutet. Dieses Malbuch kommt sogar mit Anleitungen.
An Tschick und a Krügerl
Der für seine witzig-charmanten Wien-Bücher („Unnützes Wien Wiesen“) bekannte Verlag legt mit „Wien zum Anschmieren“ ein Malbuch vor, das klassische Klischees des Wiener Lebens aufgreift und sie mit bissig-witzigen Kommentaren vermengt, sodass dabei eine Menge Spaß entsteht. Nämlich nicht nur beim Ausmalen, sondern auch beim Lesen. Da wird etwa ein romantisches Dinner zu zweit mit einem grantigen Wiener Kellner ergänzt, dem das Gesicht fehlt und daneben oder darüber steht dann so eine Aufforderung, die einen gleich schmunzeln lässt, denn jeder kennt den Ruf der Wiener Kellner, der nur von den herrschsüchtigen Berliner Serviererinnen (Jakob Hein) noch übertroffen wird, wie an anderer Stelle schon berichtet wurde. Ein anderes Ausmalbild zeigt einen Wiener Wutbürger bei seiner Lieblingsbeschäftigung: dem Granteln und Zetern mit Bierflasche in der einen und Tschick in der anderen Hand, den mäandernden Männerkörper schön im wifebeater-Unterhemd verpackt.
Wien ist... anders
Selbst der Graffiti-Beschmierer Puber bekommt eine kleine Hommage, den so wie er Wände beschmiert, kann man dies auch im folgenden Ausmalbild, das eine schöne Wiener Altbaufassade zeigt. Und die Fenstergucker-Pensionistinnen? Auch die kann man mit etwas Zeichenkunst darauf einfügen. In der U-Bahn finden sich dann zwei Typen, die dem Wutbürger von vorhin ähneln, aber einen etwas anders bedienten Ausdruck im Gesicht und einen ähnlichen Eindruck in der Nase eines Passanten hinterlassen. aber auch schöne Augenblicke werden hier geteilt: etwa wenn das Dekolleté des nächsten Richard Lugner Opernball Stargastes vorgezeichnet wird und der Leser den Rest dazu malen resp. „vervollständigen“ darf.
Das Riesenrad findet sich ebenso in diesem Ausmalbuch wie das Lieblingsgetränk des derzeit noch amtierenden Bürgermeisters. Ausmalen darf man auch die geliebte Sachertorte und viele weitere typisch wienerische Motive. Ob dieses Ausmal-Buch zur Beruhigung beiträgt ist wissenschaftlich nicht erwiesen, aber sicher ist, so haben sie Wien noch nie gesehen: „Schmieren Se’s an, wie’s woiln“.
Clemens Ettenauer (Hg.):
Wien zum Anschmieren. Das Malbuch für echte Wiener.
Mit Zeichnungen von Sarah Braid.
32 Seiten, Softcover,
ISBN 978-3-902980-56-4
Holzbaum Verlag
€ 5,-
[*] Diese Rezension schrieb: Jürgen Weber (2017-11-26)
Hinweis: Diese Rezension spiegelt die Meinung ihres Verfassers wider und muss nicht zwingend mit der Meinung von versalia.de übereinstimmen.