Das Zitat „Ich pflücke keine geknickten Blumen“ von Soren Kierkegaard wurde von Elger Esser an den Anfang seiner Publikation „Morgenland“ gestellt. Das Buch bietet Fotos der „levantinischen Triologie“ Libanon – Israel – Ägypten und einen Essay von Özkan Ezli über Elger Essers und Gustave Flauberts Perspektiven im Nahen Osten mit dem Titel „Der Orient im Orient“. So schreibt etwa Flaubert über die Erfahrung des „wahren Orient“: „das ist der wahre Orient: melancholische und betäubende Wirkung; man ahnt hier schon etwas von dem Grenzenlosen, Erbarmungslosen, in dem man verloren ist“. Aber natürlich steht in den Betrachtungen von Özkan Ezli auch die „Sinnlichkeit“ des Orientalischen und besonders englische und französische Kolonialisten lichteten sich gerne in fremdländischer Kleidung ab, während die eigentlichen Bewohnerinnen und Bewohner gänzlich ignoriert wurden, wie schon Edward Said kritisch bemerkte.
Bilder aus der Levante
„Ihr Hang zum Despotismus, ihre Anomalie und ihre Rückständigkeit“ – so die Denkweise des 19. und 20. Jahrhunderts legitimierte dann auch ihre Unterdrückung und damit den Kolonialismus insgesamt. Der Orient müsste also „okzidentalisiert“ werden, damit überhaupt eine Entwicklung hin zur Moderne dort stattfinden könne. Der erzählerische Prozess, der etwa auch in Flauberts Reisebeschreibung stattfinde, ähnele der Perspektive in den Fotografien von Elger Esser: sie übersetzten Geschichte in Zeit und Dauer. Wie bei Flaubert sei in den Fotografien Essers auch das gleitende Boot eine Art Mittelpunkt, „es sind Bilder, die auf den ersten Blick Distanz zur gegenüberliegenden Küste schaffen“, so Ezli, aber dennoch sei der Fotograf Teil der abgebildeten Landschaft. Essers Fotografien seien nicht gekennzeichnet von einer identitätspolitischen Kategorie der Differenz, seine Perspektive sei vielmehr durch „hermeneutische Distanznahme“ bestimmt. Diese trenne nicht das Bekannte vom Fremden, sondern bringe beides in eine dynamische Relation.
Orient okzidentalisiert
Ein weiters Essay stammt von Osnat Zukerman Rechter und widmet sich „Unbequemen Landschaften“ im Werke Essers. Die 131 im Format 32 x 28 cm abgebildeten Fotos zeigen vorwiegend Wasser und Luft, Licht und seine Spiegelung und Landschaften – Strände, Sumpfland, Flussbette, Senken. Der preisgekrönte Düsseldorfer Photograph Elger Esser (geb. 1967) hat sich in früheren, in Italien und Frankreich entstandenen Serien mit dem universellen Faszinosum eines scheinbar endlosen Horizonts und einer völligen Ruhe im Vordergrund auseinandergesetzt In Essers jüngster Serie werden Landschaften und Orte an der libanesischen Küste (En Naqora, Saida, Enfeh), entlang des Nils in Ägypten (Assuan, Luxor, Salwa Bahry, El Quarwad) und in Israel (See Genezareth, Akko) in Essers typischer Farbwahl gezeigt.
Elger Esser
Morgenland
Mit Texten von Osnat Zukerman Rechter und Özkan Ezli.
180 Seiten, 131 Farb- und Duotone-Tafeln. Format: 32 x 28 cm, gebunden. Deutsch/englische Ausgabe.
Schirmer/Mosel
ISBN: 9783829607971
58.-
[*] Diese Rezension schrieb: Jürgen Weber (2017-10-11)
Hinweis: Diese Rezension spiegelt die Meinung ihres Verfassers wider und muss nicht zwingend mit der Meinung von versalia.de übereinstimmen.