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Rezensionen


 
Peter Engstler - Strophen eins
Buchinformation

Lyrischer Gesang, in Strophen

Eine Würdigung des Verlegers und Lyrikers Peter Engstler

Literatur ist immer auch Behauptung. Peter Engstler reklamiert für sich und seinen Verlag „ Medien Streu“ einen Sprachraum und schafft damit eine Wirklichkeit, die anders ist als alle anderen Realitäten. Und er macht dies mit dem Anspruch auf Autonomie, Gültigkeit und der Bedeutung seiner Werke – und die der Kollegen.

Peter Engstler ist ein sehr engagierter Verleger. Er gibt beispielsweise die Literaturzeitschrift „Der Sanitäter“ heraus. Dieses Literaturmagazin ist, ähnlich wie das von Jürgen Ploog herausgegebene Magazin Gasolin/23, ein Schlüsselorgan für die Vermittlung der amerikanischen Beat-Literatur im deutschen Sprachraum.

Literatur spiegelt ihre Zeit, Beat lebt in und von seinem Kontext, zehrt von dem kulturellen, politischen und sozialen Humus der Epoche, dem er dem abgeklärten Publikum den Spiegel vorhält. Mit dem scharfen Blick ihrer versierten Intelligenz zerlegten Beat-Autoren wie beispielsweise Rolf Dieter Brinkmann die Gemütlichkeiten, in denen sich die Hippies eingerichtet hatten. Brinkmann zeigte den Maschinenraum der Leidenschaften, der das scheinbar aufgeklärte, um ideologische Korrektheit bemühte Bewußtsein der westdeutschen Gesellschaft in Wahrheit antrieb.

Die Einfügung in den historischen Zusammenhang, die der Literaturgeschichte, der Kritik und den Verlegern zufällt, gibt dem Leser einen Schlüssel zum Verständnis der Zeitumstände und fördert zumindest das Leserlebnis. Bevor Beat zur Pop-Literatur verniedlicht wurde, war er gefährlich. Beat-Literatur hat ihren Reiz nicht verloren, doch in einer Zeit, da Originalität von der Stange erhältlich ist, muss sie sich schriller präsentieren, um noch Aufmerksamkeit zu wecken.

Die Tradition wird bei ‚Medien Streu’ weiterhin gepflegt, hier wird die Extrapolation des Werkes aus seinem historischen Umfeld nicht versucht, um seine Zeitlosigkeit zu unterstreichen, Autoren wie Jörg Burkhard, Theo Köppen oder Alexander Krohn kann man weiterhin als widerständig beschreiben. Diese Autoren formulieren eine Hermeneutik, die nicht primär an der Wirkungsgeschichte des Pop und den kontroversen Lesarten der Texte inte¬ressiert ist, sondern am Urtrieb der Autorschaft. Das Ergebnis ist überraschend.

Auch Peter Engstlers Gedichte wenden sich radikal sich gegen alle gesellschaftlichen Normierungen, gegen den ganzen Literatubetrieb und dies auch ausdrücklich auch orthographisch, provozierend mit einer verwegenen Verknäuelung von Hybris und Demut, Tiefsinn und Posse. Seine Lyrik streift das Ephemere von den Momenten und Gelegenheiten, die sich dem dichterischen Zugriff bieten, fast vollständig ab und führt sie in Augenblicke glasklarer Beobachtung über. Ohne Rücksicht auf soziale Rituale und Reglements bricht Peter Engstler verkrustete Strukturen auf. Dieser Autor interessiert sich gleichermaßen für die Wirklichkeit, die Psyche und das Unbewusstsein, hier sucht er nach der letzten Wahrheit. Seine Texte entäußern die innere Bewegung und verinnerlichen zugleich das Äußere.

Schon früh hat sich dieser Autor in das Biosphärenreservat an die Rhön zurückgezogen. Den vulkanischen Ursprung dieses Gebirgszugs ahnt man ebenso als Bodensatz seines Schreibens, wie die offenen Fernen. Aus diesem Hinterland gelingt ihm ein Transfer der Normalität ins Pathetische. Mitunter nicht ohne ironischen Nebenton, der als kritisches Element in seinem neuen Band »Strophen eins« mitschwingt. Es geht in diesem Band um die andere Wirklichkeit, die durch Literatur in die Welt kommt. Diese Lyrik ist kein Selbstzweck, sondern eine klug angelegte, tief gestaffelte Vorrichtung, in das Publikum auf Wortfelder trifft. Behutsam fächert Engstler die Variationen des Blicks auf die Gegenwart auf und lädt dazu ein, das eigene Begreifen als vorläufiges, vergängliches zu begreifen. Dies ist ein Buch voller Lebensweisheit, aber es stellt diese Weisheit an keiner Stelle zur Schau. Es geht in »Strophen eins« darum, den Lesern das Disparate nahezubringen. Mit einfachen Worten: Es geht um prismatische Wahrnehmung.

Matthias Hagedorn

Peter Engstler, »Strophen eins«, Medien Streu, Ostheim/Rhön 2009.


[*] Diese Rezension schrieb: Matthias Hagedorn (2009-10-26)

Hinweis: Diese Rezension spiegelt die Meinung ihres Verfassers wider und muss nicht zwingend mit der Meinung von versalia.de übereinstimmen.


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