Einen sehr persönlichen Einblick in ihr Denken und Fühlen, den gewährt Andrea Engen mit diesem kleinen, schmalen Band voller Texte, kürzere und längere, gepaart mit gut gewählten, die jeweilige Stimmung der Texte aufnehmende und transzendierende Fotografien, auch diese zeigen meist Ausschnitte ihrer Person.
Entstanden in einer konkreten Lebensphase, mit 52 Jahren, erschüttert von Liebeskummer und zudem der einfachen Ablenkung, des Fernsehers, zumindest kurzfristig beraubt, nahm Andrea Engen zweierlei zur Hand. Zum einen Texte, Notizen, Tagebuchaufzeichnungen ihres Lebens und zum Zeiten einen Stift.
Gut, dass sie dies tat. Gut auch, dass zwar der Wunsch nach einem „nicht fühlen“ verständlich im Raume stand, dass dies aber praktisch letztlich nicht geht, sondern sich Gefühle ihren Weg und ihre Bahn suchen, denn ansonsten wäre dieses Buch kaum entstanden, Heraus kam ein ganz anderes Buch, ganz andere Texte, weder Lyrik noch Prosa, noch reine Tagebuchaufzeichnungen, sondern Texte wie Schnappschüsse, Momentaufnahmen emotionaler Befindlichkeit. Texte, die sprachlich nicht dem Alltag entnommen, sondern in der Form und der Zusammenstellung zeitloses in sich tragen.
Texte die, vor allem, um die Liebe, aber auch das Frausein, das Leben selbst kreisen und, jeder für sich, immer auf dem Punkt landen. Klare Worte mit klaren Aussagen. Den Liebsten erschlagen, auch, wenn man es eigentlich nicht will, warum denn überhaupt, aus Liebe eben! Das ist ein solch hautnaher Gedanke, der inneres Befinden in dürren Worten treffend zu skizzieren vermag. Ebenso, wie demgegenüber trotz aller inneren Disziplin die gute Frau Hoffnung ihren letzten Tango tanzt, dennoch aber im Hintergrund immer weiter lauert. Was für ein zutreffendes Bild für das Leben, das immer wieder aufzeigt, wie wenig die Ratio es vermag, den Menschen zu steuern, wie sehr aber, in einem anderen Text, jenes „zu spät“ des Lebens tiefe Furchen zu ziehen vermag.
Persönliche Texte, die dennoch nicht in der konkreten Lebenssituation der Autorin verharren, sondern von dort aus durch die allgemeingültige Erlebnistiefe durchaus Kreise zu ziehen vermögen. Texte, die eher einzeln erfasst und genommen werden wollen, für eine kleine Lektüre zwischendurch wären diese Texte zu schade und würden auch nicht verweilen, sondern in der Gefahr stehen, sich zu verflüchtigen. Zeit also sollte man sich schon für dieses dünne Buch nehmen.
All dies Verbindet mit ebenso persönlichen Fotografien, die innen liegende Gefühle ausdrücken und zu transportieren verstehen.
Ein, im wahrsten Sinne des Wortes, hautnahes Buch, dass die Tür zu Empfindung weit öffnet und mit seiner Gedankendichte um das Leben, die Liebe, die Hoffnung und den Mut zum eigenen Weg viele Assoziationen frei zu setzen vermag.
[*] Diese Rezension schrieb: Michael Lehmann-Pape (2010-11-16)
Hinweis: Diese Rezension spiegelt die Meinung ihres Verfassers wider und muss nicht zwingend mit der Meinung von versalia.de übereinstimmen.