Der Verlag minedition hat in diesem Frühjahr ein Bilderbuch des Franzosen Emmanuel Bourdier veröffentlicht mit dem Titel „Haselnusstage“, das die Geschichte eines Jungen erzählt, dessen Vater schon seit Jahren im Gefängnis sitzt und der jeden Mittwoch zusammen mit seiner Mutter den Vater dort besucht.So wie das Buch beginnt, endet es:
„Eine Stunde.
Eine Stunde mit ihm. Um mich in sein Lachen zu kuscheln,
seinen Haselnussduft zu atmen,
ihm beim Muskelaufpumpen und Ohrenwackeln zuzuschauen,
von ihm ‚mein Sohn‘ genannt zu werden und den Hals
nach draußen zu den Wolken zu recken. Nur eine mickrige Stunde.“
Düstere, farblose und tief traurigen Bilder zeigen das Schicksal eines Jungen, der in der Schule schlecht ist und von den anderen Kindern gemieden und gemobbt wird.
„Haselnusstage“ ist ein Wagnis. Ein mutiges, weil so tief trauriges und hoffnungsloses Bilderbuch, das den Blick öffnen und schärfen will für die Kinder, die schon zu Beginn ihres Lebens auf der Verliererseite sind, und dort wohl auch bleiben werden.
Das hier vorliegende Buch widmet sich demselben Thema, tut das aber ausführlicher und wie ich finde, deshalb auch hoffnungsvoller als „Hasennusstage“. Thomas Engelhardt und Monika Osberghaus erzählen in ihrem Buch „Im Gefängnis“ die Geschichte der achtjährigen Sina. Ihr Papa muss für zwei Jahre ins Gefängnis. Er hat etwas Schlimmes getan und muss nun dafür geradestehen. Die kleine Sina versteht das alles nicht. Sie hat keine Ahnung von dem Ort, an ihr Vater jetzt lebt.
Für Kinder wie Sina haben die beiden Autoirren dieses Buch verfasst, aber auch für alle anderen Kinder. Denn das Gefängnis ist ein Ort, von dem schon kleine Kinder wissen, dass es ihn gibt, den aber kaum jemand kennt, auch nicht die vorlesenden Erwachsenen. Ein schlimmer, aber auch ein interessanter Ort.
Vom ersten Tag seiner Gefängniszeit an können die Leser Sinas Papa dort begleiten. Sie erfahren alles über den Alltag hinter Gittern: Was es dort zu essen gibt, wer dort lebt und arbeitet, die eine Zelle aussieht, welche Sondersprache es dort gibt und vieles mehr. Und: wie es ist, wenn man wieder rauskommt in die Freiheit.
Ein hervorragend illustriertes Sachbuch für Kinder, das ebenso wie „Haselnusstage“ einen Preis verdient hat.
Thomas Engelhardt, Monika Osberghaus, Im Gefängnis. Ein Kinderbuch über das Leben hinter Gittern, Klett Kinderbuch 2018, ISBN 978-3-95470-186-5
[*] Diese Rezension schrieb: Winfried Stanzick (2018-05-09)
Hinweis: Diese Rezension spiegelt die Meinung ihres Verfassers wider und muss nicht zwingend mit der Meinung von versalia.de übereinstimmen.