„Höre auf das Stuhlbein der Wahrheit. Es lügt nicht. Was sagt es?“, droht Spidey einem Delinquenten, den er höchstpersönlich – mit besagtem Stuhlbein in der Hand – verhört. Spider Jerusalem, der beste Journalist den die Stadt noch hat, greift in Teil 5 der Saga ganz schön in die Vollen und schreckt auch vor Gewaltanwendung gegen Informanten nicht zurück: „Das Stuhlbein der Wahrheit will wissen, wann du das erste Mal etwas mit Gary Callahan zu tun hattest.“ Aber Fred, der Transmutant, verlässt sich beim Verhör ganz auf Spiders Berufsethos, nur diesmal hat er sich verschätzt. Bevor Spidey mit dem Stuhlbein ausholt, kreischt er ihm entgegen: „Du vergisst was... Ich bei keiner Zeitung mehr angestellt. Journalistische Ethik gilt für mich nicht mehr. Die Regeln gelten nicht mehr.“ In der Großaufnahme des Panels, das folgt, fliegen dann die Zähne und Fred’s pinkfarbene Haartolle durch die Luft.
Auch Helden müssen einmal sterben.
Aber ganz so schlimm kommt es mit Spider Jerusalem dann doch nicht, obwohl er Job und Wohnung verloren hat und von Profi-Killern gejagt wird. Zudem leidet er an einer unheilbaren Hirninfektion, die ihm den letzten Rest Vernunft raubt. Aber seinen Kampf gegen das System und den korrupten und faschistoiden Präsidenten „The Smiler“ nimmt er - im Dienste der Gemeinschaft - dennoch auf und das, obwohl die Popularität des Politikers „die höchst gemessene“ ist. An seiner Seite kämpfen auch dieses Mal wieder Channon Yarrow und Yelena Rossini und neben dem Anal Intruder/Darm Disruptor hat der James Bond des Journalismus auch noch ein paar weitere Geheimwaffen wie Tarnanzüge und das geschriebene Wort selbstverständlich, die wohl mächtigste Waffe überhaupt. Auch wenn Jerusalem nur mit Abscheu von Politik spricht - „Was einem nur wieder zeigt, dass Politik nur Palaver und Pferdescheiße ist.“ – ist er doch ein zutiefst politischer Mensch, der gegen Machtmissbrauch, Korruption und schießwütige Politiker seinen Mann steht. Mit der Feder in der Hand.
Journalistenfreiwild
Neben den offensichtlichen Analogien zu dem real existierenden und existierten Hunter S Thompson, dem Erfinder des Gonzo-Journalismus, macht die vorliegende Graphic Novel auch ein paar Anspielungen auf lebende Präsidenten, etwa wenn das „Kleid mit den Flecken“ zitiert wird, das genetische Profile registriert hat und so beweisen kann, dass auch Callahan ganz spezielle sexuelle Vorlieben pflegt, ganz so wie man es von (amerikanischen) Präsidenten gewohnt ist. Das Geständnis von Frau Callahan verschafft Jerusalem dann noch eine zusätzliche Verschnaufpause, denn der Präsident hat bereits das Kriegsrecht über die Stadt verhängt, was bedeutet, dass jeder auf offener Straße erschossen werden kann. Auch Jerusalem, der ohne feste Anstellung im Rücken Freiwild ist. „In einem Land dessen revolutionäres Manifest auf freier Rede basiert, sollte die Möglichkeit des Volkes, Fragen zu stellen, einem Präsidenten heilig sein, statt widerwärtig“, so ein offizieller Journalist, der Spider unerwartete Schützenhilfe leistet.
Warren Ellis/Darick Robertson
TRANSMETROPOLITAN 5: HÖLLENFAHRT
Panini Comics, Hardcover, 388 Seiten
Original-Stories: Transmetropolitan 49-60, Transmetropolitan: I Hate It Here, Transmetropolitan: Filth of the City
[*] Diese Rezension schrieb: Jürgen Weber (2015-08-13)
Hinweis: Diese Rezension spiegelt die Meinung ihres Verfassers wider und muss nicht zwingend mit der Meinung von versalia.de übereinstimmen.