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Rezensionen


 
Warren Ellis - Transmetropolitan: Der neue Abschaum
Buchinformation

Einer der wohl abgedrehtesten Journalisten des 21. Jahrhunderts feiert sein Comeback. Spider Jerusalem, der glatzköpfige tätowierte Tausendsassa, will endlich wieder gehasst werden und klemmt sich deswegen hinter seinen Laptop, um wieder ein paar Gewehrsalven auf die Welt abzugeben und das ausgerechnet mitten im amerikanischen Wahlkampf. Weder der Amtsinhaber noch seine Herausforderer sind Spider besonders sympathisch, aber doch gibt er seinen ersten Schuss auf die stets lächelnde Fratze des zweiten Kandidaten ab, denn mit Hilfe seiner Rauchgasabhörpatronen kriegt er mit, was Gary Callahan wirklich von seinen Wählern hält: Der neue Abschaum (siehe Titel). „Huren, Drücker, Filmemacher, Musiker, Tänzer, Außenseiter, polysexuelle Transformierte, Säufer, Junkies, Redakteure“, alle die zukünftigen Wähler von Callahan , der neue Abschaum, sollen Callahan ihre Stimme geben, aber ein Spaziergang Spider Jerusalems durch sein angestammtes Viertel („Cluny Square“) genügt und sie rennen nicht mehr Callahan, sondern Spider selbst nach. Was kann man schon werden, wenn man hier geboren ist? Sind sie alle prädestiniert dafür, zum Abschaum zu werden? „So was darf man in Amerika nicht sagen, stimmt’s? Das Land der unbegrenzten Möglichkeiten, der amerikanische Traum, dass du dir alles schnappen und die anderen ficken kannst.“
Klebrige Evidenzen
„Oh Scheiße, jetzt muss ich ihren Arm auch noch abbeißen“, sinniert Spider als er neben seiner zweiten Sekretärin, der Nichte seines CRs, aufwacht, bis dann die zweiköpfige Zigaretten-rauchende Katze auf die beiden draufspringt und das Problem auf ihre Art löst. Immer wieder geil sind auch die Szenen, in denen Spidey seinen Kaffee trinken will und irgendein Anruf oder Nachrichtenchannel ihn brutal aus seinen Gedanken reißt. Im 21. Jahrhundert ist nämlich nicht nur das Frühstück bei einer Apparatur namens „Maker“ in Nullkommanix bestellbar, sondern auch die News aus aller Welt und all die andere wünschenswerte aber sinnlose Technologie des Kosmos. Eine Pointe jagt die andere, zumindest in den ersten drei Episoden, ist wirklich kein Halten. „Ich bin klebrig, Yelana, also ist etwas…“, den Rest kann man sich denken, aber der Gag kommt so überraschend, dass selbst den Leser die Eier schmerzen, so er welche hat, Spider hält sie sich jedenfalls prophylaktisch, als er mitkriegt, dass Callahan ausgerechnet Joshua Freeh engagiert hat. Sein journalistischer Spürsinn, der ihn immer in seinen Eiern drückt, sagt ihm gleich, dass da etwas faul ist und er wäre wohl nicht Spider Jerusalem, wenn er das nicht herausfinden könnte. Als Vita, die rechte Hand Callahans ermordet wird, schimmert ihm langsam etwas. Vorher geht er aber noch an einem Souvenirshop vorbei: „Remember Vita forever“, nachdem Vita ja auch Leben bedeutet, besonders witzig, wie ein Opfer zur Märtyrerin gemacht und natürlich nur einem nützt: Callahan.
“Hard Man, Hard Job“
„Manchmal wird mir klar: Wenn mein Hirn wirklich mitbekommen würde, in was mich mein Bauch reinreitet, dann würde es sich durch Ohren davonmachen.“ Der Darm-Disruptor, die Technologiefreie Zone, eine Würstlbude, die „French People“ und „Roast Leg of Bastard“ anbietet, oder Spider’s Fantasievorstellung von seinem Interview mit dem Präsidenten „hard man, hard job“, sind so abstruse und geniale Einfälle wie die Comic-Welt sie schon seit langem nicht mehr gesehen hat! Aber bei all dem verqueren Humor, der unflätigen Sprache und dem Zynismus vergessen die Autoren auch nicht auf kritische Töne, etwa wenn sie die Probleme der amerikanischen Gesellschaft ansprechen: „..indem Sie Amerika zu einem verdammten Dritte-Welt-Land gemacht haben, das Geld blutet und außer miesem Fernsehen und transplantierbaren Organen einen Scheiß exportiert…weil Sie die medizinische Versorgung erledigt und ein Klima der Gewalt in Amerika geschaffen haben und wir Weltmeister in Sachen Mord sind…“ (O-Ton Spidey als er den Präsidenten in der Mangel hat).
„Ist das etwa nicht das wirkliche Leben?“ frägt am Ender der Chefredakteur auf einer Wahlparty und bekommt die Antwort: „Guter Gott, nein. Das hier ist doch nur eine riesige Fernsehshow.“ Wenn die Wahlbeteiligung weiterhin sinkt, kann man sich auch diese Show bald sparen.
Ein herrlicher Kommentar zum Zeitgeschehen. Brillant geschrieben und gezeichnet, mit Anleihen bei Hunter S. Thompson und Kinky Friedman und natürlich an der bittersten aller Realitäten: der Gegenwart. We want more!

Autor: Warren Ellis Zeichner: Darick Robertson
TRANSMETROPOLITAN 2: DER NEUE ABSCHAUM
Original-Storys: Transmetropolitan 13-24
300 Seiten Hardcover
www.paninicomics.de
29,99 €

[*] Diese Rezension schrieb: Jürgen Weber (2013-09-24)

Hinweis: Diese Rezension spiegelt die Meinung ihres Verfassers wider und muss nicht zwingend mit der Meinung von versalia.de übereinstimmen.


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