"Wo gibt's Donald Trumps Meinung nach in Manhattan die beste Pizza?". 1991 erschien American Psycho erstmals im Original und wurde gleichsam kongenial noch im selben Jahr von Clara Drechsler und Harald Hellmann für Kiepenheuer & Witsch übersetzt. "American Psycho" wurde allerdings 1995 in Deutschland von der Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien indiziert. Der Verlag klagte und gewann 2001 den Prozess, seither ist der Roman in Deutschland wieder frei verkäuflich und letztes Jahr, 2022, wieder neu aufgelegt.
Abgesang auf die Wall Street Yuppies
Ausgerechnet die Regisseurin von "I Shot Andy Warhol" (1996) verfilmte Anfang des Milleniums die Geschichte des frauenverachtenden, rassistischen, homophoben und antisemitischen Yuppies Patrick Bateman mit Christian Bale in der Hauptrolle. Aber Patrick Bateman ist kein bloßer Serienmörder, sondern steht vor allem als Synonym für die rauschenden Achtziger Jahre, in denen man an der Wallstreet einen Haufen Geld machen konnte, ohne wirklich etwas dafür zu arbeiten. Dementsprechend zerrüttet ist auch die Psyche von Bateman und seinem Freundeskreis aus diesem Milieu. Sie haben so viel Geld auf unmoralische Weise verdient (auf Kosten anderer), dass sie sich abends meist langweilen und sich über Mode oder die Lokale die sie besuchen sollen unterhalten oder sogar streiten. Ihr Lebensinhalt besteht aus Geld verdienen und dem Verbreiten misogyner Witze und Anekdoten. So werden gutaussehende Frauen prinzipiell als "Hardbodies" bezeichnet und ihr Gehirn auf Erbsengroße reduziert. Sie werden als besonders dumm und oberflächlich geschildert, als "Frischfleisch" wahrgenommen, aber nicht als Menschen. Diese Frauenverachtung war in den Achtzigern weit verbreitet, nicht nur an der Wallstreet. Allerdings hat Patrick Bateman neben seinen diversen Abenteuern, die alle dran glauben müssen, sehr wohl eine fixe Freundin. Evelyn. Sie wird als besonders dumm und oberflächlich dargestellt und als er nach zwei Jahren endlich mit ihr Schluss macht kalt abserviert. Interessant ist, dass sie mit dem Leben davon kommt und nichts von seinen "Eskapaden" weiß oder mitkriegt. Seiner Sekretärin Jean tut er ebenso nichts. Ein Besuch bei seiner Mutter im Altersheim wird als besonders kalt und gefühllos geschildert. Ein Treffen mit seinem Bruder Sean verläuft ähnlich. Patrick Bateman ist ein Egoist ohne Mitgefühl, der nur sich und seine Markenkleidung kennt, ein Schönling, der sich selbst stundenlang im Spiegel betrachten kann. Die Schilderungen der Gewaltszenen sind allerdings nichts für zarte Gemüter. Es kommen Bohrmaschinen, Bolzenschneider und Stahlrohre zum Einsatz, nichts für schwache Nerven. Auch eine Ratte spielte eine gewisse Rolle. Zu fragen bleibt natürlich, woher dieser Frauenhass und die geschilderten Gewalttaten gegen Frauen rühren. Dennoch muss man American Psycho als geniales Werk beschreiben, das eine gesellschaftliche Wirklichkeit wiedergibt, die wir heute, 30 Jahre später, hoffentlich bald überwunden haben.
Achtziger Gier und Ennui
Patrick Bateman, 27, militanter Nicht-Raucher, Harvard Business School Absolvent, Nihilist oder sogar Existentialist (Sartre wird allerdings nur ein einziges Mal erwähnt) wurde zum Prototyp des Achtziger Jahre Mannes, des Vertreters einer gesellschaftlichen Klasse, die kein Gewissen und keine Moral kennt, außer sich selbst zu bereichern. Die Kälte und die Leere, die er in sich spürt, den Ennui, will er auch andere spüren lassen, sie sollen so leiden wie er. Als besonders hervorzuheben gilt auch, dass Bateman einen gewissen Donald Trump bewundert. Trump wird im Roman sicher mehr als zwanzig Mal erwähnt, denn er ist tatsächlich ein Held oder sogar ein Leitstern für Bateman. Als Stilmittel setzt Ellis somit auch gerne die Wiederholung ein. So zählt er etwa bei jeder Personenbeschreibung die Markenkleidung auf, denn für Bateman ist dies sehr wichtig. Bateman mag keine Live-Musik, erzählt dafür aber von seinen Lieblingskünstlern (Phil Collins, Whitney Houston, Huey Lewis) jeweils ein ganzes Kapitel lang oberflächliche Anekdoten, einem Musikkritiker gleich, der er nicht ist. Vernichtend ist auch seine Kritik an einem U2-Gig zu dem er sich von Arbeitskollegen überreden lässt. Denn er will - trotz allem - doch einfach auch irgendwo dazugehören. Zu den Wiederholungen gehört auch, dass er immer Videos zurückbringen muss, ins Fitnessstudio geht, die Patty Winters Show schaut, immer wieder das Musical Les Misérables erwähnt und einen Haufen Drogen zu sich nimmt, vor allem natürlich Koks. In einem besonders verzweifelten Augenblick sagt er: "Ich will doch nur, dass man mich liebt, die Erde verfluchend, und alles, was man mich gelehrt hat: Prinzipien, Unterschiede, Entscheidungsfreiheit, Moral, Kompromisse, Bildung, Einheit, Gebet - alles davon war falsch, ohne tieferen Sinn. Alles worauf es hinauslief war: friss oder stirb." Bret Easton Ellis hat 1991 ein Monster nach realen Vorbildern erschaffen. Einige davon leben noch immer, auch wenn sie nie wirklich einen Mord oder eine Vergewaltigung begangen haben, sondern ihn sich nur vorstellten.
Bret Easton Ellis
American Psycho. Roman
Übersetzt von: Clara Drechsler, Harald Hellmann
2023, Taschenbuch, 560 Seiten
ISBN: 978-3-462-31206-5
Kiepenheuer & Witsch
[*] Diese Rezension schrieb: Jürgen Weber (2023-03-25)
Hinweis: Diese Rezension spiegelt die Meinung ihres Verfassers wider und muss nicht zwingend mit der Meinung von versalia.de übereinstimmen.